Steeg lässt Schließung von Schule nicht gut sein
Die Gemeinde leitet auch gegen das vom Land Tirol angeordnete Ende der Oberstufe der VS Lechleiten juristische Schritte ein. Ob die Volksschule in einer Woche überhaupt aufsperrt, will das Land nicht bestätigen.
Von Helmut Mittermayr
Steeg –Montagabend trat der Gemeindevorstand in Steeg zusammen, um die neue Situation zu beraten. Das Land Tirol hatte ja, wie berichtet, vor wenigen Tagen in der Auseinandersetzung um die Schließung der Volksschule Lechleiten einen neuen Trumpf aus dem Ärmel gezogen. In einer geänderten Sprengelverordnung wurde die Oberstufe der VS Lechleiten überraschend der Neuen Mittelschule Elbigenalp zugeschlagen. Mit Schulbeginn in einer Woche sollen die zwei betroffenen Kinder nun ins mittlere Lechtal pendeln.
Die Gemeinde Steeg geht nun auch dagegen juristisch vor, nicht nur gegen die Schließung der Volksschule im Allgemeinen, wo sie ja einen Teilerfolg errungen hat. Bürgermeister Günther Walch gegenüber der Tiroler Tageszeitung: „Wir haben uns entschlossen, auch gegen die neue Sprengelverordnung des Landes rechtliche Schritte einzuleiten. Jetzt ziehen wir das durch.“ Die Frage des Transportes der beiden betroffenen Schüler der VS-Oberstufe sei noch nicht ganz geklärt. „Aber für zwei Kinder einen eigenen täglichen Shuttle Warth – Steeg und retour einzurichten, wird sicher eine Kostenfrage. Dies scheint dem Land Tirol jedoch egal zu sein.“ Müsste BM Walch eine Wertung abgeben, dann gehe der Erhalt der Volksschule vor jenem der Oberstufe. Aber beides werde von der Gemeinde zu retten versucht.
Eines der betroffenen Kinder ist der elfjährige Johannes. Seine Mama Isabella Ulsess sieht für ihn nur Vorteile in der VS Lechleiten: „Die Mittelschule Elbigenalp ist sicher nicht schlecht, das sagt ja niemand. Aber das, was wir hier haben, ist ein echter Luxus. Fast wie eine Privatschule mit acht Kindern. Der Lehrer kennt jedes durch und durch, ihre Stärken und Schwächen. Er kann sich ihnen so intensiv widmen wie nirgendwo sonst.“
Von der von der Schulbehörde immer wieder in den Raum gestellten angeblichen pädagogischen Benachteiligung der Kinder in der Kleinschule mit Oberstufe will Isabella Ulsess nichts wissen: „Unsere beiden Töchter haben auch diese achtjährige Schule besucht und sind bestens ausgebildet. Eine ist gerade auf dem Weg zur Matura“ – wie der Großteil der Absolventen der VS Lechleiten. Denn 25 Prozent haben danach eine Lehre abgeschlossen, weitere 25 Prozent weiterführende berufsbildende vierjährige Schulen absolviert und die restlichen 50 Prozent die Matura gemacht. Problemschulen sehen ganz anders aus – heißt es in Steeg.
Ulsess weiter: „Wir wissen es übrigens sehr zu schätzen, dass die Gemeinde Steeg derart hinter der Schule, den Kindern und Eltern steht.“
Maria Theresia Drexel, die Mutter der 13-jährigen Magdalena, die das letzte Schuljahr in Lechleiten vor sich hätte, ist konsterniert. „Einmal heißt es: ,Oje, zu!‘, dann: „Juhu, wieder auf!‘, dann: ,Wieder zu!‘. Das ist vor allem für die Kinder eine riesige Belastung. Eine Woche vor Schulbeginn wissen wir noch immer nicht, wo Magdalena das letzte Schuljahr machen muss.“ Die Gehrenerin findet es geradezu „eine Anmaßung“ von Landesrätin Beate Palfrader zu behaupten, dass die Kinder an der letzten Volksschuloberstufe Österreichs pädagogisch benachteiligt seien: „Sie hat keine Ahnung und kennt ja kein einziges Kind. Unsere ältere Tochter ging auch hier in die achtjährige Volksschule und besucht nun erfolgreich die Tourismusschule HLT Bezau, die mit Matura abschließt. Sie hat überhaupt keinen Nachteil erfahren.“ Auch Drexel dankt: „Die Gemeinde ist ganz, ganz fest um uns bemüht. Das ist sicher einmalig und nicht überall so.“
Der Reuttener Rechtsanwalt Gerhard Mader vertritt die Gemeinde Steeg. Er will gegen diese Anlassverordnung beim Verfassungsgerichtshof vorgehen: „Wir sind der Meinung, dass die Landesregierung diese Sprengeländerung nur im Hinblick auf unsere Beschwerde gegen die Schulschließung geändert hat. Damit soll nachträglich ein wesentliches rechtliches Argument der Gemeinde unwirksam gemacht und die Schließung erzwungen werden. Nachdem diese Sprengeländerung bereits ab 1.9.2017 in Kraft treten soll, hat sie unmittelbare Auswirkungen auf die Oberstufe in Lechleiten, weil diese ab dem neuen Schuljahr unzulässig wäre. „Daher werden wir diese Sprengeländerung direkt beim Verfassungsgerichtshof anfechten.“ Parallel dazu läuft ein Verfahren beim Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) über die vom Land angeordnete Schließung der Volksschule Lechleiten. Hier ist der Gemeinde Steeg einen Etappenerfolg gelungen. Laut LVwG darf die Schule zumindest nicht zwangsgeschlossen werden, solange das Verfahren läuft.
Auf die Frage, ob Lechleiten in der kommenden Woche überhaupt wie alle anderen Tiroler Volksschulen aufsperren wird, konnte Alexander Erath von der Abteilung Bildung des Landes Tirol Dienstagvormittag keine sofortige Auskunft geben. Ein Ja kam ihm nicht über die Lippen. „Ich muss das erst mit dem Chef besprechen und werde mich melden.“ Die Besprechung war zum abendlichen Redaktionsschluss der Lokalausgabe Reutte jedenfalls noch im Gange. Damit können die zwei Schüler der Oberstufe nur vermuten, dass sie wahrscheinlich nach Elbigenalp wechseln müssen. Und die verbliebenen sechs Kinder der Volksschule, davon zwei aus Warth, können nur hoffen, dass sie in Lechleiten bleiben können.