Zwischen Karriereende, Familie und Vereinssuche
Nach dem Aus bei Italiens Meister Venedig hegt Tirols Basketballer Benjamin Ortner (34) Rücktrittsgedanken. Auch wegen seiner drei Kinder.
Von Roman Stelzl
Mailand –Im modernen Social-Media-Jargon müsste man jetzt sagen: Es ist kompliziert. Gemeint ist das Leben des Benjamin Ortner, Tirols seit Jahren bester Basketballer. Dabei geht es weniger um die Vereinssuche, die der 34-jährige Innsbrucker nach dem Aus bei Venedig kurzfristig starten muss – vielmehr ist es die Familiensituation, die alles andere als einfach ist. Denn während Ortner auf Punktejagd ging, waren seine drei Kinder – zwei Buben im Alter von drei Jahren und eine einjährige Tochter – in Innsbruck zuhause. „Es ist alles ein wenig kompliziert“, bestätigt Ortner. Alle paar Tage oder Wochen, wie es das Programm eben zulässt, zieht es den diplomierten US-Informatikstudenten in „drei bis vier Stunden Fahrzeit“ nach Hause.
Das Leben als Profi-Sportler, das Ortner schon seit zwölf Jahren in Italien führt, könnte leichter sein. Und deshalb hegt der 2,06 Meter große Center, nachdem sein Vertrag beim amtierenden italienischen Meister Venedig nicht verlängert wurde, ganz neuartige Gedanken. Es sind Gedanken, die sich nach 16 Jahren Profisport (vier davon auf dem US-College) um das Karriereende drehen.
„Wenn kein passendes Angebot kommt, lasse ich es wohl sein“, sagt Ortner, „Ich bin jetzt 34. Das ist ein ganz gutes Alter, um aufzuhören. Ich muss nichts mehr erzwingen.“ Ein gewichtiger Grund für diese Überlegungen ist die Familie. „Ich will mehr Zeit für meine Kinder haben. Das spielt bei meinen Überlegungen eine große Rolle“, ergänzt Ortner, der derzeit in Mailand mittrainiert und sich so in Schwung hält.
Trotz der Überlegungen hat die Suche nach einem neuen Verein längst begonnen. Sie soll in Deutschland, Spanien oder Italien enden, vielleicht sogar in Österreich („Ich halte mir alle Türen offen“). Beim deutschen Bundesligisten Gießen war Ortner bereits 2012 unter Vertrag.
Auf drei Jahre in Venedig blickt er nicht zuletzt aufgrund des heurigen Meistertitels mit Wohlwollen zurück. Mit Siena war Ortner bereits 2013 Meister und Cupsieger geworden, doch dem Team aus der Toskana wurden die Titel aufgrund eines Betrugsdelikts aberkannt. Der Gewinn der Meisterschaft mit Venedig war also eine späte Genugtuung für den Hünen.
Rein sportlich dürfte der Abschied daher schwerfallen – ansonsten verbindet Ortner aber wenig mit dem Touristen-Hotspot. „Zwischen Oktober und Februar ist es hier ruhiger. Aber den Rest des Jahres geht es hier zu wie in Disneyland. Es ist unverständlich, dass so viele Kreuzschiffe täglich hier reinfahren“, erklärt Ortner, der außerhalb des historischen Zentrums auf dem Festland lebt. Die rund 30 Millionen Touristen pro Jahr würden dabei „die wahren Venezianer“ ohnedies nie kennen lernen.
Ein wenig Wehmut klingt da heraus, wenn es um den Abschied geht. Und sollte wirklich Schluss sein – auch mit Basketball –, ginge nur eine Tür zu. Und eine andere auf. Jene als Familienvater.