Nordkorea schoss Rakete über Japan hinweg

Seoul/Tokio/Pjöngjang (APA/dpa/AFP/Reuters) - Der Konflikt um das nordkoreanische Raketen- und Atomprogramm spitzt sich weiter zu: Unbeeindr...

Seoul/Tokio/Pjöngjang (APA/dpa/AFP/Reuters) - Der Konflikt um das nordkoreanische Raketen- und Atomprogramm spitzt sich weiter zu: Unbeeindruckt von allen Sanktionen feuerte das Militär des diplomatisch isolierten Landes unangekündigt eine Rakete von großer Reichweite über Japan hinweg in Richtung offenes Meer ab.

Die Regierung in Tokio forderte nach dem Abschuss die Einberufung des UNO-Sicherheitsrates. Das chinesische Außenministeriums warnte, in dem Konflikt auf der koreanischen Halbinsel sei ein „Wendepunkt“ erreicht. „Druck und Sanktionen“ gegen Pjöngjang könnten den Konflikt „nicht grundlegend lösen“. Die bestehenden UNO-Resolutionen gegen Nordkorea forderten auch die Schaffung von Bedingungen für neue Verhandlungen.

Die ballistische Rakete sei in einem Gebiet nahe der Hauptstadt Pjöngjang gestartet und etwa 2.700 Kilometer weit geflogen, teilte der Generalstab der südkoreanischen Armee mit. Dabei habe sie eine Höhe von 550 Kilometern erreicht, bevor sie in den Pazifischen Ozean niedergegangen sei. Es könne sich um eine Mittelstreckenrakete gehandelt haben, sagte ein Sprecher.

Das US-Verteidigungsministerium, das den Test ebenfalls bestätigte, schloss dagegen nicht aus, dass es eine Interkontinentalrakete (ICBM) gewesen sein könnte. Nordkorea hatte mit den Test von zwei ICBMs im Juli weltweit Empörung ausgelöst.

Ein Regierungssprecher in Tokio sprach von einer „beispiellos ernsten und schweren Bedrohung“. Während Japan und seine Schutzmacht USA den Druck auf Pjöngjang nun weiter erhöhen wollen, demonstrierte Südkorea militärische Stärke.

Der jüngste Raketentest Nordkoreas wurde in Südkorea auch als Warnsignal gewertet, trotz zunehmenden Drucks durch die USA nicht einlenken zu wollen. Der Test erfolgte während laufender Militärübungen der USA mit Südkorea. Nordkorea unterstellt den USA regelmäßig, mit solchen Manövern einen Angriff vorzubereiten. Das bestreiten die USA und Südkorea.

Nach Berichten südkoreanischer Medien wollte sich der UN-Sicherheitsrat in New York auf Antrag der USA, Japans und Südkoreas noch am Dienstag mit dem jüngsten nordkoreanischen Raketentest befassen. Nach den beiden ICBM-Tests hatte das höchste UN-Gremium die bisher schwersten Wirtschaftssanktionen gegen Pjöngjang verhängt. Am vergangenen Samstag hatte Nordkoreas Militär drei Kurzstreckenraketen ins Japanische Meer (koreanisch: Ostmeer) geschossen. Eine der Raketen explodierte bei dem Test nach Angaben des US-Militärs bereits kurz nach dem Abheben.

Mit dem jüngsten Test erreicht der Konflikt mit Nordkorea eine neue Eskalationsstufe. Es war nicht das erste Mal, dass eine Rakete Nordkoreas über Japan hinwegflog. Es sei aber das erste Mal, dass das unangekündigt erfolgt sei, meldete der japanische Sender NHK.

Der Test werde derzeit noch ausgewertet, teilte Pentagon-Sprecher Robert Manning in Washington mit. Man sei aber bereits zu der Einschätzung gekommen, dass die Rakete keine Bedrohung für die USA dargestellt habe. Nach Berichten von NHK stürzten Teile des Flugkörpers etwa 1.180 Kilometer östlich der nördlichsten Hauptinsel Hokkaido ins Meer. Japan habe jedoch keine Abwehrrakete gestartet, hieß es unter Berufung auf das Militär.

In Südkorea wies Präsident Moon Jae-in die Streitkräfte an, ihre Kampfkraft zu demonstrieren. Vier F15K-Kampfjets ließen daraufhin nach Angaben eines Sprechers auf einen Schießplatz in der Nähe der innerkoreanischen Grenze Bomben fallen. Bei der Übung sei die nordkoreanische Führung als simuliertes Ziel ausgegeben worden, berichtete die nationale Nachrichtenagentur Yonhap. Washington und Seoul würden außerdem darüber nachdenken, „strategische“ Verteidigungswaffen nach Südkorea zu verlegen. Einzelheiten wurden zunächst nicht genannt.

Der Nationale Sicherheitsrat Südkoreas verurteilte den Raketentest durch Nordkorea als Verletzung von UNO-Resolutionen. Diese verbieten dem Land Tests mit ballistischen Raketen. Das sind in der Regel Boden-Boden-Raketen, die je nach Bauart einen konventionellen, chemischen, biologischen oder atomaren Sprengkopf tragen können. Nordkorea arbeitet an Raketen, die einen Atomsprengkopf bis in die USA tragen können.

Auch Russland zeigte sich „extrem besorgt“. Die Lage habe die „Tendenz zur Eskalation“, sagte Vize-Außenminister Sergej Riabkow am Dienstag laut der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Novosti. Riabkow machte auch die jüngsten umfangreichen Militärübungen Südkoreas und der USA auf der koreanischen Halbinsel für die Lage verantwortlich. Die Manöver hätten „eine Rolle dabei gespielt, Pjöngjang zu einem neuen Abschuss“ einer Rakete zu veranlassen. Der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im russischen Föderationsrat, Konstantin Kossatschew, erklärte, der Raketentest zeige, dass Nordkorea nicht bluffe mit seiner Drohung, die US-Insel Guam ins Visier zu nehmen.

Der Nordkorea-Konflikt heizt sich seit Monaten auf. US-Präsident Donald Trump hatte Pjöngjang mit „Feuer und Zorn“ gedroht, was angesichts der atomaren Bewaffnung beider Länder für Unruhe sorgte. Nordkorea drohte zeitweise damit, Raketen in die Gewässer um Guam abzufeuern. Einige Experten gehen davon aus, dass Nordkorea mit den Raketentests die USA an den Verhandlungstisch zwingen wolle. Nordkorea glaube, dass der Weg zum Dialog frei werde, wenn es seine Fähigkeiten demonstriere, sagte Professor Masao Okonogi von der japanischen Keio Universität. „Der Rest der Welt versteht diese Logik aber nicht und das macht die Sache nicht leicht“, sagte er.

An den asiatischen und europäischen Börsen reagierten Anleger nervös. Aktien wurden verkauft, als sicher geltende Anlagen wie Gold und der Schweizer Franken waren dagegen gefragt.

( 0876-17, Format 88 x 78 mm)