Estnischer Innenminister gegen Verlängerung von Grenzkontrollen
Tallinn/Alpbach (APA) - Der estnische Innenminister Andres Anvelt ist klar gegen eine Verlängerung von Kontrollen an innereuropäischen Grenz...
Tallinn/Alpbach (APA) - Der estnische Innenminister Andres Anvelt ist klar gegen eine Verlängerung von Kontrollen an innereuropäischen Grenzen über November hinaus. „Ich denke, wir müssen alle anderen Optionen einsetzen“, betonte der derzeitige EU-Ratspräsident am Rande des Forums Alpbach im Gespräch mit der APA. „Es ist das 21. Jahrhundert, wir sollten so viel Digitalisierung wie möglich bei der Sicherheit einsetzen.“
Er trete für „weichere Arten der Kontrolle“ ein, „denn ich meine, dass die Frage der Bewegungsfreiheit zwischen den europäischen Staaten eine fundamentale ist. Wenn wir damit anfangen, unsere Grenzen zu kontrollieren und uns von Schengen wegbewegen, dann werden die Leute den Glauben an Europa verlieren.“ Natürlich müsse es Sicherheitsmaßnahmen geben, aber die könnten auch anders aussehen.
Höchstens temporär - also etwa für die Dauer eines Großereignisses wie eines internationalen Gipfels - sind aus Anvelts Sicht Grenzkontrollen im Schengen-Raum akzeptabel. Estland habe etwa anlässlich eines Besuches von Ex-US-Präsident Barack Obama zu dieser Maßnahme gegriffen. Sie sollte aber nur kurzzeitig in Kraft sein.
„Wir müssen die Außengrenzen der Europäischen Union schützen, und das auf die effizienteste und modernste Art und Weise“, argumentierte Anvelt. Dann müsse man auch die europäischen Bürger nicht damit „deprimieren“, dass sie sich an einer Grenze anstellen müssten.
Generell warb der estnische Innenminister für mehr Fortschritte bei der Digitalisierung: „Kommen wir aus den Höhlen heraus! Der Privatsektor und unsere Bürger sind schon viel weiter gegangen und haben ein viel besseres Verständnis von Digitalisierung“, meinte Anvelt, der auch auf die Vorreiterrolle des „kleinen Estland“ etwa im Bereich E-Government verwies.
Er wisse um die mit derartigen Reformen verbundenen Bedenken, sagte der Minister: „Die Diskussion ist immer, wenn wir bei der Digitalisierung zu weit gehen, dann wird sich jeder vor Big Brother fürchten“ - und der Datenschutz werde schwach sein. „Da bin ich komplett auf der anderen Seite - ich sage, gut gebaute und gehandhabte Datenbanken können mehr Datenschutz bieten als separate Teile an vielen verschiedenen Orten“ - vorausgesetzt natürlich, diese Datenbanken seien technisch entsprechend ausgestaltet.
In Estland beispielsweise könne eine Person jederzeit herausfinden, wenn ein Beamter des Staates ihre persönlichen Daten abgefragt habe - dafür reiche ein Smartphone. „Und dann kann ich fragen, warum haben Sie das gemacht, und das ist ein guter Schutz.“ Eine Ausnahme sei, wenn strafrechtliche Ermittlungen gegen diese Person liefen - dann werde sie erst nach deren Abschluss informiert.
Um sich vor Zugriffen von außen durch Hacker auch aus anderen Ländern zu schützen, sind laut dem Minister klarerweise entsprechende Investitionen in die Sicherheit erforderlich. „Der beste Schutz ist die Prävention.“ So gebe es in Estland etwa eine eigene Regierungsorganisation, die mit dem Monitoren von „Anomalien“ befasst sei, und man beschäftige sich mit Szenarien, „die in der sehr nahen Zukunft möglich sind“, sagte Anvelt.
Digitalisierung sei die Zukunft: „Unser Leben geht in diese Richtung“, und früher oder später seien gewisse Veränderungen ohnehin ein Muss. „Die ganze Welt ist in Bewegung, und wir befinden uns in Konkurrenz mit vielen Staaten wie den USA oder China, und ich möchte nicht, dass Europa an der letzten Stelle steht. Wir haben ein enormes Potenzial, aber all das bedeutet eine engere Kooperation natürlich auch im Sicherheitsbereich.“
(Das Gespräch führte Alexandra Frech/APA)
(Bilder von Andres Anvelt vom 28.8. sind im AOM abrufbar.)