Experte: Myanmars Regierung hat Schuld an Rohingya-Krise
Yangon (Rangun) (APA) - Die Eskalation der Lage rund um die Rohingya in Myanmar (Burma), ist für Ulrich Delius, Direktor der Gesellschaft fü...
Yangon (Rangun) (APA) - Die Eskalation der Lage rund um die Rohingya in Myanmar (Burma), ist für Ulrich Delius, Direktor der Gesellschaft für bedrohte Völker, seit langem absehbar. Im APA-Interview erklärte er am Dienstag, dass dies eine „klare Folge des Handelns der Regierung Myanmars“ sei. Die Rohingya, eine muslimische Volksgruppe im buddhistischen Myanmar, sind laut UNO die am stärksten verfolgte Minderheit der Welt.
Für die Eskalation der Situation durch bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Rohingya-Rebellen macht Delius die Regierung Myanmars verantwortlich. „Experten haben seit Jahren davor gewarnt, dass es, wenn die Rohingya-Krise nicht politisch gelöst wird, zu einer militärischen Eskalation kommen wird“, erklärte er. Zudem reisen laut Delius „Menschen aus Saudi-Arabien und anderen arabisch-muslimischen Ländern mit Koffern voll Geld durch die Region um hoffnungslose Rohingya anzuwerben“. Der Konflikt sei demnach nur „eine Frage der Zeit gewesen“, denn die Regierung habe immer wieder darauf gesetzt, Zeit zu gewinnen und nicht an einer politischen Lösung gearbeitet. „Jetzt fliegt ihr der ganze Laden um die Ohren - das ist genau das, wovor wir seit Jahren warnen, es war absehbar und klar“, sagte der Asien-Experte.
Der Konflikt um das Volk, das vor allem in der Grenzregion zu Bangladesch lebt, hat laut Delius lange zurückreichende Ursachen und werde instrumentalisiert. Es sei ein Machtkampf zwischen Militär und Regierung: „Wir stehen vor einer Machtprobe zwischen dem Militär, das immer wieder behauptet hat, die Rohingya sind nicht Bestandteil der Nationalitätenstruktur des Landes, sondern eingewanderte bengalische Migranten, und der Regierung , die hin- und hergerissen ist, wie sie sich verhalten soll.“ Myanmars De-facto-Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi übernehme immer mehr die Position des Militärs, da sie es für die „komplexe Konstruktion der Demokratisierung Myanmars weiter braucht“. Sie schließe sich der Argumentation an, dass „die Rohingya nicht Teil der Bevölkerung Myanmars seien und nicht als Staatsbürger anerkannt werden“, so Delius. „Wir sehen das als großes Problem, weil die Rechte der Rohingya, rund einer Million Menschen, vor dem Ausverkauf stehen.“
Neben dem Militär bekämpfen auch militante buddhistische Gruppen die Minderheit. Diese suchen laut Delius im buddhistischen Nationalismus „ihr Heil“ und mobilisieren gegen die Rohingya. „Wir sehen das mit großer Sorge und haben Aung San Suu Kyi immer wieder dazu aufgefordert, stärker Position gegen die Extremisten zu beziehen“, erklärte der Experte. Die buddhistischen Nationalisten könnten auf die allgemeine Verunsicherung der Menschen in Myanmar setzen, die durch die Veränderung von einem sozialistischen Staat hin zu einem kapitalistischen System um sich greift. „Den Politikern ist nur eingefallen, immer wieder einen Sündenbock dafür zu nennen, die Lügen und ein schlechtes Image Myanmars im Ausland verbreiten würden“, so Delius. Die offenen Fragen hinsichtlich der Zukunft Myanmars würden auf dem Rücken dieser Minderheit ausgetragen.
Problematisch ist auch das Verhalten des Nachbarlandes Bangladesch, in das viele Rohingya aus Myanmar fliehen wollten. Das Land hat die Grenzen geschlossen und lediglich angeboten, die Flüchtlinge auf die kleine Insel Thengar Char anzusiedeln, die als unbewohnbar und Rückzugsort für Piraten gilt und bei hoher Flut überschwemmt wird. Viele Rohingya haben deswegen den Rückweg nach Malaysia angetreten. Laut Delius muss die Internationale Gemeinschaft jetzt Bangladesch dazu drängen, endlich diese Menschen aufzunehmen. Das Land versuche seit Jahren, jede Flucht unattraktiv zu machen und weigere sich, EU-Mittel anzunehmen. „Das ist vollkommen im Widerspruch zur Genfer Flüchtlingskonvention, man weiß, dass die Rohingya, die abgewiesen werden, in Myanmar Inhaftierung oder sogar um ihr Leben fürchten müssen“, so Delius.
Delius erklärte weiter, die internationale Gemeinschaft dürfe Myanmars Kampf gegen die Rohingya-Rebellen unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung nicht tolerieren. Exzessive Gewaltanwendung würde eine weitere Massenflucht von 200.000 bis 300.000 Menschen zur Folge haben, dies sei „unverantwortlich“. Der Konflikt habe Potenzial, sich zum Regionalkonflikt auszuweiten, denn die mehrheitlich muslimischen Länder Indonesien und Malaysia könnten sich einschalten. „Dort verfolgt man vonseiten der Zivilbevölkerung das Schicksal der Rohingya sehr aufmerksam und versteht nicht, wie unmenschlich sich Bangladesch verhält“, erklärte Delius.
(Das Interview führte Martin Auernheimer/APA)