Merkel: „Ich habe extra schon einmal Martin Schulz gesagt“

Berlin (APA/Reuters) - Nach einer guten halben Stunde ist die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits die Gelassenheit in Person, leh...

Berlin (APA/Reuters) - Nach einer guten halben Stunde ist die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits die Gelassenheit in Person, lehnt sich bei Fragen auch im Stuhl zurück. Anderthalb Stunden stellt sie sich in dem vollgepackten Raum der Bundespressekonferenz (BPK) den Fragen der Journalisten.

Aber nach 21 Auftritten in der BPK in den zwölf Jahren ihrer Kanzlerschaft hat sie ohnehin Erfahrung mit der Beantwortung des Potpourris unterschiedlichster Themen. Bei polemischen Fragen blickt sie wie immer konzentriert auf das Blatt vor ihr, um ein Pokergesicht zu wahren. Als die CDU-Vorsitzende in der Bundespressekonferenz aber darauf angesprochen wird, wieso sie sich am Sonntag dem TV-Duell mit dem SPD-Chef stellt, dessen Namen sie nie nenne, grinst sie. „Ich habe extra schon einmal heute Martin Schulz gesagt“, sagt Merkel und erntet Gelächter.

Ansonsten bleibt die CDU-Chefin, die ihre vierte Kanzlerschaft anstrebt, bei der seit Wochen verfolgten Linie, möglichst keine Angriffslinien zu bieten. Auch auf die schärfsten Fragen antwortet sie ruhig mit Details nach Detail. Als es etwa darum geht, ob sie ihre Flüchtlingspolitik von 2015 nicht verraten habe, listet Merkel minutenlang das Maßnahmenset der Flüchtlingspolitik auf, das sowohl Aufnahme, Abwehr und Hilfe in Afrika beinhaltet - und Nachfragen im Keim erstickt. Als sie zur umstrittenen Abordnung von Kanzleramts-Mitarbeitern für den CDU-Wahlkampf oder die Abrechnung von Flügen zu Wahlveranstaltungen gefragt wird, verweist Merkel kühl darauf, dass dies doch zu Zeiten des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder auch so gewesen sei - immer wieder kommt ohnehin der Hinweis, dass die „Sozialdemokratie“ doch an Entscheidungen beteiligt gewesen sei.

Nur bei ausländischen Regierungen wird Merkel schärfer. „Der Zusammenhalt der EU unter Preisgabe der Rechtstaatlichkeit ist nicht mehr die EU“, sagt sie im Hinblick auf Polen. Der Journalistin eines russischen Mediums bedeutet Merkel klipp und klar, dass die EU-Sanktionen erst aufgehoben werden, wenn die Gründe für die Verhängung beseitigt sind. Auch zur Türkei findet sie harte Worte und schließt aus, dass Gespräche über eine erweiterte Zollunion stattfinden könnten.

Ansonsten hat Merkel sichtlich Probleme, sich aus ihrem Regierungsmodus zu verabschieden - oder will dies bewusst nicht. Auf die Frage nach dem eingeschränkten Familiennachzug von Flüchtlingen erwähnt sie, dass sie sich dies Anfang nächsten Jahres anschauen werde. Dann stutzt Merkel kurz und fügt hinzu: „Ich muss ja immer hinzufügen - damit mir das nicht als Arroganz ausgelegt wird -, dass wir jetzt eine Wahl haben.“ Danach verfällt sie sofort wieder in den Regierungsmodus: Sie werde sich das Thema kommendes Jahr anschauen. Angesichts der für die CDU-Chefin und die Union derzeit guten Umfragewerte scheint dies niemanden zu stören.

Und Merkel wirkt noch entspannter als 2013, als Journalisten noch spekulierten, ob sie nach ein oder zwei Jahren aus der Politik aussteigen werde. „Meinem Dementi wollte keiner glauben“, spottet sie, betont wieder, dass sie für vier weitere Jahre antrete und löst wieder Gelächter aus. Die Journalisten sollten doch lieber ihr als anderen glauben - „wenn es um mein Leben geht“.

Martin Schulz und der Schlagabtausch der Parteien spielt danach keine große Rolle in der 96-minütigen Pressekonferenz, sie finde den Wahlkampf trotzdem interessant, bemerkt Merkel. Am Ende wirkt sie zufrieden mit ihrem Auftritt. Und als die Kanzlerin dann noch gefragt wird, wieso sie sich eigentlich nur einmal im Jahr einer solch großen Pressekonferenz stelle, scheint sie ernsthaft darüber nachzudenken, ob sie nicht tatsächlich häufiger eine solche Bühne nutzen sollte.