Regierung in Warschau weist Kritik der Kanzlerin brüsk zurück

Berlin/Warschau (APA/AFP) - Im Streit um Polens Justizreform darf die EU nach Ansicht der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel einer Ause...

Berlin/Warschau (APA/AFP) - Im Streit um Polens Justizreform darf die EU nach Ansicht der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel einer Auseinandersetzung mit der dortigen Regierung nicht aus dem Weg gehen. Polens Regierung wies indes Merkels Kritik am Dienstag schroff zurück und sprach von „schweren Problemen“ Deutschlands bei der Einhaltung demokratischer Standards.

So sehr sich Deutschland gute Beziehungen zu Polen wünsche, „wir können da nicht einfach den Mund halten“, sagte Merkel. Die Frage der Rechtsstaatlichkeit in Polen sei ein „ernstes Thema“, weil sie die Grundlagen der Zusammenarbeit in der EU berühre. So wichtig der Zusammenhalt der EU-Staaten auch sei, dürfe die Rechtsstaatlichkeit nicht vernachlässigt werden. „Zusammenhalt unter Preisgabe der Rechtsstaatlichkeit ist nicht mehr die Europäische Union“, sagte Merkel.

Die EU-Kommission hatte der nationalkonservativen Regierung in Warschau wegen ihrer umstrittenen Justizreformen im Juli mit der Einleitung eines Verfahrens zum Stimmrechtsentzug auf europäischer Ebene gedroht. Polen hatte am Montag nach Ablauf einer von Brüssel gesetzten Frist die Einwände als unbegründet zurückgewiesen.

Auf die Äußerungen der Kanzlerin reagierte die polnische Regierung mit scharfer Gegenkritik. Justizminister Zbigniew Ziobro unterstellte Merkel politische Hintergedanken: „Diese Äußerungen bestätigen, dass es sich nur um Politik und um nichts anderes handelt und dass die Fakten nicht zählen.“ Die polnische Regierung werde ihre Pläne unverändert weiterverfolgen.

Ziobro sagte weiter: „Man könnte auch auf internationaler Ebene die schweren Probleme Deutschlands hinsichtlich der Standards in den Bereichen Demokratie und Freiheit und bei der Meinungs- und Medienfreiheit debattieren.“

Offenbar in Anspielung auf die sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht 2015/2016 beklagte Ziobro das „Schweigen der deutschen Medien“ hinsichtlich „der sehr schwerwiegenden Rechtsverletzungen in Köln und anderen deutschen Städten“.

Die EU-Kommission wollte sich am Dienstag nicht dazu äußern, wann sie sich erneut mit der Polen-Frage befassen wird. Die Antwort Polens werde nun „sorgfältig geprüft“, sagte eine Sprecherin lediglich. Sie wies aber den Vorwurf aus Warschau zurück, Brüssel habe in dem Bereich keine Kompetenzen. „Das ist wirklich etwas, dem wir nachdrücklich widersprechen würden.“

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker kündigte an, seine Behörde werde die vollständige Beachtung europäischer Werte durchsetzen. „Ich glaube, dass wir mehr auf der Dimension der Werte der Europäischen Union bestehen müssen“, sagte er, ohne Polen ausdrücklich zu nennen. Diese müssten „auf den Millimeter genau“ beachtet werden. In manchen Fällen seien Länder aber „eher Kilometer als Millimeter“ davon entfernt.

„Wir werden dafür sorgen, dass sich das ändert“, sagte der Kommissionspräsident, der Merkel am Mittwoch in Berlin trifft.

Die Einleitung eines Verfahrens zum Stimmrechtsentzug nach Artikel 7 EU-Vertrag wäre ein bisher einmaliger Schritt in der EU-Geschichte. Die Kommission kann dies veranlassen. Ob es dann tatsächlich zur Beschneidung von Rechten oder einem Stimmrechtsentzug kommt, entscheiden aber die Mitgliedstaaten. Hierzu wäre ein einstimmiger Beschluss der EU-Länder nötig. Der Polen-Verbündete Ungarn hat bereits sein Veto angekündigt.