Kulturherbst: Theater widmen sich Klima, Flüchtlingen und Shakespeare
Wien (APA) - Die Erfolgsformel scheint zu lauten: Dramatisiere Romane und erfolgreiche Filme, widme dich dem Thema Migration und verweise mi...
Wien (APA) - Die Erfolgsformel scheint zu lauten: Dramatisiere Romane und erfolgreiche Filme, widme dich dem Thema Migration und verweise mithilfe der Geschichte auf Probleme der Gegenwart. Diesen Mix bietet jedenfalls der kommende Woche startende Theaterherbst, der zwischen Bregenz und Wien, Linz und Graz so manche Perle bietet.
Das Theater in der Josefstadt läutet den Premierenreigen am 2. September mit einem eindringlichen Werk über die großen Katastrophen der jüngeren Geschichte ein: Ernst Lothars epochales Romanporträt „Der Engel mit der Posaune“, 1948 mit Paula Wessely verfilmt, wird von Stammregisseur Janusz Kica in Szene gesetzt. Maria Köstlinger tritt dabei als Klavierfabrikanten-Gattin Henriette in Wesselys Fußstapfen und gerät in den Strudel der sich auflösenden Monarchie, des Ersten Weltkriegs und als Jüdin schließlich in die Fänge der Nationalsozialisten. Ihren rechtschaffenen Ehemann gibt Michael Dangl, als weitere Familienmitglieder stehen u.a. Marianne Nentwich, André Pohl und Alexander Absenger auf der Bühne.
Nach der Wien-Premiere von Andrea Breths Salzburger Inszenierung von Pinters „Geburtstagsfest“ (3. September) steigt das Burgtheater am 6. September mit Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ ein, der gleichzeitig die Rückkehr Leander Haußmanns als Regisseur am Haus markiert. Aus dem Ensemble hat er sich dafür die Stars gepickt: Mavie Hörbiger gibt die Helena, Johannes Krisch spielt Elfenkönig Oberon und Stefanie Dvorak wirkt als dessen Ehefrau Titania mit. Apropos Shakespeare: Wer erinnert sich nicht an Gwyneth Paltrow als des Dichters Geliebte in „Shakespeare in Love“? Den Oscar-prämierten Stoff bringt das Theater in der Josefstadt am 7. September in den Kammerspielen in der Regie von Fabian Alder zur deutschsprachigen Erstaufführung.
Tags darauf reiht sich auch das Volkstheater ein, wenn Hausherrin Anna Badora Euripides‘ „Iphigenie in Aulis“ mit Stefano Massinis „Occident Express“ verschmilzt, das unter anderem erzählt, „wie reale Flüchtlinge durch die Medien zu einem Klischee und damit zu Fiktion gemacht werden“. Den Abschluss dieser dichten Premierenwoche macht dann wieder das Akademietheater, wo Robert Borgmann mit „paradies fluten“ den ersten Teil von Thomas Köcks „klimatrilogie“ - prominent besetzt mit Elisabeth Orth und Katharina Lorenz - inszeniert.
Mit dem Konrad-Bayer-Abend „Auf der Suche nach dem sechsten Sinn“ startet das TAG - Theater an der Gumpendorferstraße am 16. September in die Herbstsaison: In dessen letztem Roman drehte sich alles um den Kampf des Protagonisten mit der Realität und ihrer Sprache. Für die Bühnenfassung zeichnet Regisseurin Elisabeth Gabriel verantwortlich.
Nach diesem ernsten Auftakt bergen die kommenden Wochen dann mehr für die Lachmuskeln. Elfriede Jelinek übersetzte Georges Feydeaus amouröses Verwirrspiel „Wie man Hasen jagt“, das Folke Braband am 21. September auf die Bühne der Josefstadt bringt. Nestroy wartet hingegen im Volkstheater: Am 23. September feiert dort Felix Hafners Inszenierung der „Höllenangst“ Premiere. Für die Couplets konnte ORF-Moderator und Kabarettist Peter Klien gewonnen werden. Das Schauspielhaus Wien, das sein Programm erst am 7. September präsentiert, startet am 28. September in seine neue Spielzeit. Was dabei zu sehen wird, ist noch geheim. Mit einem Georg-Kreisler-Abend meldet sich Nikolaus Habjan am Volkstheater zurück, wo am 11. Oktober „Wien ohne Wiener“ Premiere feiert. Gemeinsam mit den Musikern Andreas Schett und Markus Kraler sowie Ensemblemitgliedern taucht der Puppenspieler und Regisseur in den Kreisler-Kosmos ein.
Das für den Mülheimer Dramatikerpreis nominierte Stück „Vereinte Nationen“ von Clemens Setz, das Anfang des Jahres am Schauspiel Frankfurt uraufgeführt wurde, ist heuer gleich zweimal in Österreich zu sehen: Holle Münster inszeniert das an der Grenze zum Kindesmissbrauch spielende Stück im Volx/Margareten (Premiere: 13. Oktober), im Schauspielhaus Graz widmet sich Mathias Schönsee dem Text bereits am 30. September. Mit „Oh Magic“ eröffnet das brut Wien seine Spielzeit, in der man sich aufgrund der Renovierung des Künstlerhauses an andere Spielorte in der Stadt begibt, zum Auftakt wählte man die Halle G im Museumsquartier. Dort bietet „Oh Magic“ am 19. Oktober „ein Livekonzert von Robotern und PerformerInnen, eine Reise in die Welt von theatraler und technischer Magie und eine Suche nach einem sinfonischen Zusammenklang von Performance, Tanz, Musik, Sound und Robotik“.
Alvis Hermanis, der der Staatsoper im Frühjahr einen umstrittenen „Parsifal“ bescherte, inszeniert am Burgtheater „Schlechte Partie“ - eine Neuübersetzung des Werks des russischen Theaterdichters Alexander Ostrowski, das selten bis gar nicht im deutschsprachigen Raum gespielt wurde und „die These aufstellt, dass wer Geld hat, die Liebe kaufen kann“, so Dramaturg Klaus Missbach. Sehen lassen kann sich bei dieser Premiere am 21. Oktober das Ensemble: Während Hermanis mit Peter Simonischek, Michael Maertens, Fabian Krüger oder Dörte Lyssewski bereits gearbeitet hat, ist es sein erstes Zusammentreffen mit Nicholas Ofczarek.
Politisch geht es dann im November weiter, wenn im Volkstheater Orwells „1984“ an die heutige Realität gemahnt, in den Kammerspielen Ferdinand von Schirachs „Terror“ für schwere Entscheidungen im Publikum sorgen wird oder Simon Verhoevens Flüchtlingskomödie „Willkommen bei den Hartmanns“ von Peter Wittenberg im Akademietheater seine Bühnen-Uraufführung feiert.
Auch in den Bundesländern widmet man sich dem gesamten Spektrum von der Klassik bis zur Gegenwart. „Faust :: Mein Brustkorb : Mein Helm“ führt am Schauspielhaus Graz in die Abgründe von Werner Schwab (29. September), das Landestheater NÖ bringt mit Büchners „Dantons Tod“ (15. September) und Shakespeares „Romeo und Julia“ (30. September) zwei Klassiker ans Haus. Wedekinds „Frühlings Erwachen“ (23. September) und „Antigone“ (13. Oktober) sind am Linzer Landestheater programmiert, in Tirol inszeniert Intendant Johannes Reitmeier Goethes „Faust“. Mit Schnitzlers „Liebelei“ startet das Vorarlberger Landestheater in die Saison. Das Stadttheater Klagenfurt widmet sich mit „Hier stehe ich - ich kann nicht anders“ dem laufenden Luther-Jahr.