Dirigent Manfred Honeck: „Im Grunde genommen sind wir Diener“

Salzburg (APA) - Manfred Honeck ist viel unterwegs: Derzeit bereist der österreichische Dirigent mit seinem Pittsburgh Symphony Orchestra (P...

Salzburg (APA) - Manfred Honeck ist viel unterwegs: Derzeit bereist der österreichische Dirigent mit seinem Pittsburgh Symphony Orchestra (PSO) Europa, aber auch sonst hat der 58-Jährige reichlich zu tun. Vor dem Auftritt mit dem PSO bei den Salzburger Festspielen sprach die APA mit Honeck über künftige Pläne, das Verschmelzen von Klassik und Pop sowie sein Selbstverständnis als Künstler.

APA: Herr Honeck, Sie stammen aus einer großen Musikerfamilie. Wie hat Sie das geprägt?

Manfred Honeck: Man kommt immer erst später drauf, was wirklich geprägt hat. Ich kann eine Antwort geben: Es war diese Schlichtheit. Wir waren neun Kinder und mussten viele Entbehrungen erleben. Das Leben in der Natur, in den Bergen - das sind so Stichworte, die für mich wichtig waren. Die Liebe zur Natur ist damals schon gewachsen und in die Wiege gelegt worden. Das spiegelt sich natürlich auch im Musikalischen wieder.

APA: Sie waren zunächst Bratschist bei den Wiener Philharmonikern, bevor Sie die Seiten wechselten. Was hat Sie dazu bewogen?

Honeck: Im Grunde genommen war das eine längere Phase. Es ist dieses Feuer, das brennt, und der Gedanke: Eigentlich würde ich gerne dirigieren. Das fasziniert mich einfach. Es ist nicht nur das da vorne Stehen und herum Fuchteln. Vielleicht war es damals auch ein bisschen Thema. Aber ich habe bald gemerkt: darum geht es mir nicht. Ich wollte eigentlich interpretieren. Ich wollte das, was ich spüre, vermitteln können. Und da ist Dirigieren etwas herrliches, weil die Orchesterfarben so gewaltig sind und eine Fülle an Facetten bieten.

APA: Wie würden Sie Ihre Rolle als Dirigent definieren?

Honeck: Man überlegt sich immer, was das Dirigieren bedeutet. Conducere drückt es aus: das Mitführen, das Führen. Wie ein CEO einer Kompanie. Da geht es viel um Organisation, aber letzten Endes geht es darum, dass man ein musikalisches Konzept entwickelt und dem Willen des Komponisten nachkommt. Was hat der Komponist mit dem Stück gewollt? Wann hat er es geschrieben, welche Umstände haben ihn getrieben, welche Spielweise war üblich? Man lernt nicht nur über das Stück selber, sondern auch über das Umfeld sehr viel. Es war immer faszinierend, verschiedene Interpretationen kennenzulernen. Außerdem ist es wichtig, dass wir Dirigenten uns selber nicht erhöhen. Wir sind im Grunde genommen Diener. Ohne Beethoven, Mahler, Tschaikowski würde unser Beruf wahrscheinlich gar nicht existieren. Sie haben ganz Besonderes geschaffen. Natürlich interpretieren wir auch. Aber der wahre Hero ist der Komponist.

APA: Sie sind seit 2008 in Pittsburgh, Ihr Vertrag läuft noch bis 2020. Was kommt danach, haben Sie schon Pläne? Werden Sie den Vertrag erfüllen?

Honeck: So eine Entscheidung ist nicht leicht - bleibe ich in Amerika, konzentriere ich mich mehr auf Europa? Es ist eine grundsätzliche Entscheidung, ich werde nächstes Jahr 60. Wenn ich eine Chefstelle übernehme, werde ich mich natürlich mit größtem Eifer und Energie einsetzen. Ich werde mir überlegen, ob ich in Pittsburgh noch bleibe oder eine andere Stelle annehme - oder auch frei sein, das ist eine durchaus denkbare Alternative. Ich habe die Entscheidung noch nicht getroffen, aber im nächsten halben Jahr werde ich mich wohl durchgerungen haben, in welche Richtung es geht.

APA: In Wien tut sich einiges: Bogdan Roscic übernimmt 2020 die Staatsoper, holt Philippe Jordan als Musikdirektor. Hätte Sie der Posten gereizt bzw. sind die Symphoniker nun ein Thema für Sie?

Honeck: Wien ist für mich eine ganz wichtige Stadt, sie ist meine musikalische Heimat. Was Wien zu bieten hat, ist einzigartig - in jedem Aspekt. Was da passiert, ist wirklich toll, und wir können stolz sein. Natürlich gibt es immer wieder Wechsel, das liegt in der Natur der Sache. Ich dirigiere die Symphoniker sehr gerne. Natürlich werden sich gewisse Dinge eröffnen, aber was sich dann ergeben wird, das weiß ich nicht. Ich habe auch sehr viele andere Möglichkeiten, die ich ausschöpfen werde.

APA: Ihr Orchester hat heuer Musik von Tschaikowski mit jener des Rappers Drake gekreuzt. Ein notwendiger Versuch, um auch jüngeres Publikum zu erreichen?

Honeck: Wir müssen da viel kämpfen, auch in Europa. Und wir versuchen vieles. Bei Drake und Tschaikowski muss man sagen: Es blutet einem Musiker das Herz, wenn mitten in einer Tschaikowski-Symphonie plötzlich umgeschwenkt wird auf Popmusik. Ich persönlich kann das nicht machen. Aber ja, das Orchester spielt auch Popmusik. Wir erkennen, dass wir viel tun müssen. Allerdings liegt die Wurzel dieser Problematik in den Schulen bei der Kenntnis der klassischen Musik und in den Familien. Wie kann ich erwarten, dass Leute kommen, die noch nie diese Musik gehört haben? Wenn ich keine Sehnsucht und Liebe zur klassischen Musik empfinde, werde ich wahrscheinlich auch kein Ticket kaufen. Wir und die Politik müssen uns mehr anstrengen, den Leuten die klassische Musik näherzubringen.

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

(ZUR PERSON: Manfred Honeck wurde am 17. September 1958 in Nenzing, Vorarlberg, geboren. Der Spross einer Musikerfamilie studierte an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien und wurde Bratschist bei den Wiener Philharmonikern. Danach wechselte er ans Pult, leitete das Wiener Jeunesse Orchester und fungierte als erster Kapellmeister am Opernhaus Zürich. Weitere Stationen waren Oslo, Leipzig und Stuttgart. Seit 2008 steht er dem Pittsburgh Symphony Orchestra vor, seinen Vertrag hat er 2012 bis zur Saison 2019/20 verlängert.

(S E R V I C E - https://pittsburghsymphony.org)