„15. Juli 27“: Schau über Spaltung der Ersten Republik in Wien
Wien (APA) - Der Tag des Justizpalastbrandes ist als Anfang vom Ende der Ersten Republik in die Geschichte eingegangen. Die Ausstellung „15....
Wien (APA) - Der Tag des Justizpalastbrandes ist als Anfang vom Ende der Ersten Republik in die Geschichte eingegangen. Die Ausstellung „15. Juli 27: Ursachen - Ereignis - Folgen“, die ab Freitag im Innenministerium in Wien zu sehen ist, präsentiert erstmals Vorgeschichte und Nachwirkungen der Juliunruhen. Im Zentrum steht die Frage, wie es zur Spaltung der österreichischen Gesellschaft kam.
Tausende Menschen gingen am Morgen des 15. Juli 1927 in Wien auf die Straße, um gegen den Freispruch von drei Männern zu protestieren, die am 30. Jänner desselben Jahres im burgenländischen Schattendorf bei politisch motivierten Auseinandersetzungen zwei Menschen getötet hatten. Aufgebrachte Arbeiter steckten bei den Protesten den Wiener Justizpalast in Brand, bei gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei kamen 89 Menschen ums Leben. Dass die Ursachen für die Unruhen jedoch viel tiefer lagen und politische Gewalt keine Ausnahme war, zeigt die vom Historiker Stefan Karner, Leiter des Ludwig Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgen-Forschung, gestaltete Ausstellung.
Die junge Republik Österreich hatte in den 1920er-Jahren mit schweren wirtschaftlichen, sozialen und politischen Problemen zu kämpfen. „Existenzängste, heftiger Parteienkampf und das Schüren von Feindbildern führen zu einer stark aufgeheizten Stimmung“, steht auf einer Tafel der Ausstellung. Karner und sein Team erklären anhand von Filmdokumenten, Fotografien und Plakaten, wie die Polarisierung der Bevölkerung vor sich ging.
Auf der einen Seite wurde Angst vor einer kommunistischen Revolution geschürt, auf der anderen vor einem drohenden reaktionären Regime gewarnt, sagte Karner am Mittwoch bei der Presseführung. Die politischen Lager warfen sich gegenseitig Terror vor, Zeitungen heizten den Konflikt weiter an, so der Experte.
Die sachliche und ausgewogene Darstellung der Zusammenhänge und unterschiedlichen Sichtweisen seien ihm und seinen Kollegen sehr wichtig gewesen. In der Ausstellung zeigt ein „Gerüchtebildschirm“, welche „Fake News“ in der Stadt kursierten, auf einem Stadtplan sind die Schauplätze der Unruhen markiert.
Auch Auszüge aus dem Tagebuch von Bundeskanzler Ignaz Seipel und das Obduktionsbuch der Universität Wien über die Opfer der Unruhen sind zu sehen. Filme zeigen die Begräbniszeremonien, in denen die zivilen Opfer und die getöteten Exekutivbeamten getrennt betrauert werden - ein Anzeichen für die Spaltung der Gesellschaft.
„Zu wenige Menschen haben sich damals für die parlamentarische Demokratie und den Rechtsstaat eingesetzt“, so Karner. Dies habe letztlich dazu geführt, dass die Erste Republik zugrunde gegangen sei. Mit der Ausstellung wolle er zu einer gemeinsamen Erinnerungskultur beitragen und vor allem junge Menschen für einen respektvollen Umgang miteinander sensibilisieren.
( S E R V I C E - Die Ausstellung ist vom 1. September bis 31. Oktober, dienstags bis freitags sowie sonntags von 10 bis 17 Uhr im Innenministerium, Herrengasse 7, 1010 Wien, zu sehen. Führungen finden jeweils um 10 und 15.30 Uhr statt. Am 15. Oktober bleibt die Ausstellung geschlossen.)