Die Arbeitsmarktreform - Macrons Reifeprüfung

Paris (APA/AFP) - In Sachen Reformwilligkeit hat Emmanuel Macron seinen Landsleuten kürzlich ein miserables Zeugnis ausgestellt: „Die Franzo...

Paris (APA/AFP) - In Sachen Reformwilligkeit hat Emmanuel Macron seinen Landsleuten kürzlich ein miserables Zeugnis ausgestellt: „Die Franzosen verabscheuen Reformen“, sagte er vergangene Woche. Ob er Recht hat, wird sich schnell zeigen: Am Donnerstag stellt die französische Regierung die Arbeitsmarktreform vor, die vom Präsidenten als ultimative Waffe im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit angepriesen wird.

Die Grundzüge der Reform sind schon seit längerem bekannt, doch über die genaue Ausgestaltung schwieg die Regierung bis zuletzt eisern. Mit der Lockerung des Arbeitsmarkts soll ein Ruck durch Frankreich gehen. Der in Umfragen abgestürzte Macron braucht schnelle Erfolge.

Mit der Reform könne „die Schlacht gegen die Massenarbeitslosigkeit gewonnen“ werden, hat der sozialliberale Staatschef selbstbewusst verkündet. Tatsächlich halten viele Experten den starren Arbeitsmarkt für hauptverantwortlich für die hohe Arbeitslosigkeit, die derzeit mehr als 3,5 Millionen Menschen betrifft. Bei mehr als neun Prozent liegt die Quote, fast doppelt so hoch wie in Deutschland.

Deswegen drückte Macron bei seinem Prestigevorhaben von Anfang an aufs Gaspedal. Schon kurz nach seinem Wahlsieg im Mai empfing er Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden zu ersten Gesprächen. Vom Parlament ließ er sich das Recht einräumen, die Reform mit Verordnungen umzusetzen - das geht deutlich schneller, als wenn die Gesetzesänderungen den normalen parlamentarischen Weg gingen.

Am 22. September sollen die Verordnungen das Kabinett passieren und dann schnell in Kraft treten. Die Regierung verspricht Flexibilität, Sicherheit und Vereinfachungen für Angestellte und Arbeitgeber zugleich. Unternehmen sollen mehr Freiheiten bekommen, um wieder leichter Menschen einzustellen. Dazu sollen betriebsbedingte Kündigungen erleichtert, Abfindungen bei unrechtmäßigen Entlassungen gedeckelt, Betriebsvereinbarungen gestärkt und verschiedene Formen von Arbeitnehmervertretungen innerhalb eines Unternehmens zusammengelegt werden.

Am Donnerstag, 12.00 Uhr, sollen die fünf Verordnungen mit ihren insgesamt rund 200 Seiten der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Zum High Noon treten Premierminister Edouard Philippe und Arbeitsministerin Muriel Penicaud vor die Presse.

Die Gegner des Projekts haben ihre Revolver schon gezückt: Linke Gewerkschaften wie die CGT sehen in der Reform einen Abbau des Sozialstaates, den Weg hin zu unsicheren Arbeitsverhältnissen und Sozialdumping.

Der linke Volkstribun Jean-Luc Melenchon, der bei der Präsidentschaftswahl im Frühjahr für Furore gesorgt hatte und heute der profilierteste Oppositionspolitiker des Landes ist, spricht von einem „Sozialstaatsstreich“. Zwei Gewerkschaften haben für den 12. September zu Protesten aufgerufen, Melenchon für den 23. September.

Doch Massenproteste wie im vergangenen Sommer, als Hunderttausende Menschen gegen die Arbeitsmarktreform des damaligen Staatschefs Francois Hollande auf die Straßen gingen und Streiks und Blockaden für Chaos sorgten, erwarten Experten dieses Jahr eher nicht. Der von manchen prognostizierte heiße Herbst dürfte eher lauwarm ausfallen.

„Die Gewerkschaften werden keine Streikfront aufstellen“, sagt etwa der Direktor des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg, Frank Baasner. So hätten sich die Reformgewerkschaften verhandlungsbereit gezeigt - die radikale CGT stehe mit ihrer kompromisslosen Haltung zunehmend isoliert da.

Allerdings könnten auch die Reformgewerkschaften auf die Barrikaden gehen, sollten die am Donnerstag enthüllten Details der Arbeitsrechtslockerung ihnen zu weit gehen. Denn zwar hat die Regierung die Sozialpartner mit dutzenden Treffen in die Beratungen einbezogen. Doch bei den strittigsten Punkten wurden Gewerkschaften und Arbeitgeber bis zuletzt im Unklaren gelassen.

Auch gibt es bei den Franzosen große Vorbehalte gegen die Reform. Laut einer neuen Umfrage befürchten 68 Prozent der Franzosen, dass ihr Arbeitgeber künftig ihre Rechte beschneiden könnte.

Macron setzt darauf, dass seine erste große Wirtschaftsreform schnell die erhofften Früchte trägt und die Arbeitslosigkeit sinkt. Sonst dürfte der seit Wochen anhaltende Absturz des jungen Präsidenten in den Umfragen ungebremst weitergehen.