„Harvey“ - Kampf gegen die Fluten, aber nicht gegen den Klimawandel

Berlin/Paris/Houston (Texas) (APA/AFP) - Hunderttausende Menschen im Süden der USA leiden derzeit unter den Folgen des Wirbelsturms „Harvey“...

Berlin/Paris/Houston (Texas) (APA/AFP) - Hunderttausende Menschen im Süden der USA leiden derzeit unter den Folgen des Wirbelsturms „Harvey“. US-Präsident Donald Trump beeilte sich, den Sturmopfern mit einem Besuch in Texas zu zeigen, dass er die Katastrophe ernst nimmt. Klimaexperten werfen aber die Frage auf, ob Trump im Kampf gegen solche Stürme nicht etwas viel Wichtigeres tun könnte: Sich dem Kampf gegen den Klimawandel anschließen.

Als Katastrophe von „historischem“ Ausmaß bezeichnete Trump die Auswirkungen von „Harvey“ bei seinem Besuch am Dienstag in der texanischen Stadt Corpus Christi. Den Klimawandel erwähnte der US-Präsident in diesem Zusammenhang nicht. Der Kampf gegen die Erderwärmung steht ohnehin nicht auf der Agenda des rechtspopulistischen US-Präsidenten. Anfang Juni hatte er den Ausstieg seines Landes aus dem Pariser Klimaabkommen angekündigt und erklärt, die USA würden die Vereinbarung „ab sofort“ nicht mehr umsetzen.

Klimaschutzmaßnahmen würden in den USA Jobs kosten, argumentiert Trump. Dass der Klimawandel Katastrophen verursachen und dadurch der Wirtschaft seines Landes große Schäden zufügen kann, glaubt er offenbar nicht. Vor seiner Wahl hatte Trump den Klimawandel sogar einmal als Erfindung der Chinesen zum Schaden der USA bezeichnet.

Der Kieler Klimaforscher Mojib Latif sagte, Ereignisse wie „Harvey“ könnten den Druck auf Trump in der Klimapolitik erhöhen. Allerdings hält Latif den US-Präsidenten für „absolut beratungsresistent und deswegen fürchte ich einfach, dass auch dieses Ereignis die Meinung des Präsidenten nicht ändern wird“, meinte der Wissenschafter am Mittwoch.

Wissenschafter wie Latif sind sich ziemlich sicher, dass Hurrikane, Zyklone und Taifune durch die Erderwärmung zwar nicht häufiger, aber verheerender werden. „Harvey“ sei nicht durch den Klimawandel verursacht worden, erklärte Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Aber „seine Auswirkungen - die Sturmflut und vor allem die extremen Regenmengen - wurden sehr wahrscheinlich durch die vom Menschen verursachte globale Erwärmung verschlimmert“.

Weitgehend Einigkeit herrscht in der Wissenschaft darüber, dass der Anstieg der Meeresspiegel durch den Klimawandel die Folgen schwerer Stürme verstärkt. Denn je höher der Meeresspiegel, desto schneller werden Küstenstädte überschwemmt, wie der Atmosphärenforscher Kerry Emanuel vom MIT in Boston hervorhebt.

Wenn der verheerende Hurrikan „Sandy“ nicht 2012, sondern ein Jahrhundert früher gewütet hätte, hätte er wahrscheinlich nicht Teile Manhattans überflutet, gab Emanuel zu bedenken. Schließlich lag damals der Meeresspiegel etwa 30 Zentimeter niedriger.

Valerie Masson-Delmotte vom Weltklimarat IPCC erläuterte, dass die Erderwärmung außerdem zu einer feuchteren Erdatmosphäre führe, weil wärmere Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Dadurch brächten Wirbelstürme mehr Regen mit sich als früher. Und bei „Harvey“ sind es diese heftigen Regenfälle, die deutlich größere Schäden anrichten als der Wind.

Diskutiert wird laut Rahmstorf auch die Theorie, „dass die stärksten tropischen Wirbelstürme durch die steigenden Meerestemperaturen noch stärker werden, da die Energie für diese Stürme aus der Wärme des Meerwassers stammt“.

Überdies gehen Klimaforscher Hinweisen nach, dass der Klimawandel die Luftzirkulation in den mittleren Breiten der Erde verlangsamt. Zu „Harvey“ würde dies passen, denn dieser hatte sich in Texas tagelang kaum voranbewegt, so dass der Regen unablässig auf die gleichen Gebiete fiel.

Laut MIT-Forscher Emanuel kann die Erderwärmung auch zu einer plötzlichen Intensivierung von Stürmen beitragen, wie sie auch bei „Harvey“ zu beobachten war. Das macht die Wirbelstürme trotz Fortschritten bei den Wettervorhersagen schwer berechenbar.

US-Präsident Trump richtet das Augenmerk auf die Rettungseinsätze und den Wiederaufbau nach dem Sturm. Klimaschutz als Sturm-Prävention ist bei ihm bisher kein Thema.