Entlieben in einer Zeit, in der Aleppo brennt
Olga Flor seziert in ihrem neuen Roman „Klartraum“ akribisch die Geschichte einer maßlosen Liebe und ihres langen Sterbens.
Von Edith Schlocker
Innsbruck –Angekündigt wird Olga Flors neues Buch „Klar- traum“ als Liebesroman. Wer sich hier allerdings über eigene Gefühlsschrammen hinwegtröstenden Seelenkitsch erwartet, wird enttäuscht. Denn die Geschichte, die hier erzählt wird, ist letztlich die eines langen und schmerzlichen Entliebens.
Die Protagonisten in Olga Flors neuem Buch sind eine P und ein A. Sie beide sind nicht mehr jung, haben einen Mann/eine Frau und Kinder. Dass ihre Beziehung nur eine Affäre bleiben soll, ist von Anfang an klar. Doch Vernunft und Gefühl sind ein zu ungleiches Paar, um den Alltag zu überleben.
Erzählt wird die Geschichte dieser über viele Jahre andauernden, immer wieder auf- und abflackernden Obsession aus der Perspektive der Frau. Sie ist klein und zart und schlecht bezahlte Geistesarbeiterin, er ist ein Bär und beruflich höchst erfolgreich. Anfangs ist diese Liebe maßlos in ihrem gegenseitigen Begehren, jedes Zusammensein ist ein Fest. Bis P immer mehr klar wird, dass sie nicht die Frau ist, die A bedingungslos lieben kann.
Die Sprache, mit der Olga Flor dieses emotionale Desaster akribisch auf 282 Seiten seziert, ist großartig in ihrer kunstvoll zelebrierten Knappheit, in ihrer Fähigkeit, stimmig die absurdesten Metaphern zu erfinden. Letztlich um die Erkenntnis zu formulieren, wie grundsätzlich anders Männer und Frauen ticken. Und so wird „Klartraum“ auf weite Strecken zu einer Geschichte von Kränkung und Zurückweisung, durchdekliniert in sämtlichen Varianten, was den Leser mit der Zeit doch einigermaßen ermüdet.
Eingebettet ist diese sehr private Geschichte in die Welt von heute. In der Aleppo brennt, Flüchtlinge ertrinken, weil ein erodierendes Europa die Schotten dichtmacht. Das restliche Personal in „Klar- traum“ ist schräg ausgesucht und steht prototypisch für den Rest der Welt. Denn dass es Olga Flor um viel mehr als um das Nachdenken über eine Liebe geht, wird in dem Kapitel „Vom Leben in den großen Städten“ klar. Angesiedelt in einer gar nicht so fernen Utopie, die Mittelalter spielt, bevölkert von Untoten, Prinzessinnen und sich gegenseitig häutenden Wüstenwüstlingen.
Roman Olga Flor: Klartraum. Jung und Jung, 282 Seiten, 23 Euro.