Forum Alpbach - Brexit-Experte erwartet lange Übergangsphase

Wien/London (APA) - Der Chefökonom und Partner von Deloitte UK, Ian Stewart, erwartet eine lange Brexit-Übergangsphase, möglicherweise auch ...

Wien/London (APA) - Der Chefökonom und Partner von Deloitte UK, Ian Stewart, erwartet eine lange Brexit-Übergangsphase, möglicherweise auch über das Jahr 2022 hinaus. „Die Verhandlungen für das Freihandelsabkommen EU-Kanada haben sieben Jahre gedauert. Großbritannien will es in fünf Jahren schaffen“, sagte Stewart am Rande des Forums Alpbach im APA-Gespräch.

Ein zweites Referendum über den EU-Austritt Großbritanniens ist für Stewart sehr unwahrscheinlich. Die Wahrscheinlichkeit für eine erneute Abstimmung bezifferte er mit „fünf bis zehn Prozent“. Auch ein „harter Brexit“ ohne Freihandelsabkommen und nur mit Anwendung von Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) wäre wirtschaftlich „sehr schädigend“ und daher eher unrealistisch. „Am wahrscheinlichsten ist ein breites Freihandelsabkommen mit gewissen Einschränkungen bei der Personenfreizügigkeit“, erwartet der Brexit-Experte. Für derzeit in Großbritannien lebende EU-Bürger und für in der EU lebende UK-Bürger würden wohl deren Rechte garantiert.

Stewart rechnet nicht mit einem Verbleib Großbritanniens im Europäischen Binnenmarkt, weil die Beschränkung der Migration im Vereinigten Königreich politisch eine große Rolle spielt. Für hoch qualifizierte Arbeitskräfte aus der EU werde es aber in Großbritannien wenig Änderungen geben.

Für den Experten könnte auch der Standort Österreich vom Brexit profitieren. Für Investoren aus den USA und Asien würden nun auch EU-Länder mit hoher Wirtschaftskraft als Investitionsziele verstärkt in den Fokus rücken.

Die Beratungsgesellschaft Deloitte hat im Juli und August 252 Führungskräfte, die für das Steuerthema zuständig sind, in Österreich befragt. Die Umfrage wurde unter Deloitte-Kunden und potenziellen Kunden durchgeführt. Für 70 Prozent der Befragten würde sich eine Vereinfachung des Steuersystems am positivsten auf die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts auswirken. Für zwei Drittel wäre eine Senkung der Lohnnebenkosten in Österreich unbedingt notwendig, und ein Drittel würde sich mehr Berechenbarkeit bei der zukünftigen Entwicklung des Steuersystems und eine zuverlässigere Vorgehensweise der Finanzverwaltung wünschen.

„Österreich ist abseits von den Regularien ein attraktiver Standort“, sagte Deloitte-Österreich-Chef Bernhard Gröhs bei der Präsentation der Befragung am Donnerstag in Alpbach. Wenn es schnellere, verbindliche Auskünfte der Steuerbehörden („Ruling system“) gebe, dann würden auch mehr Unternehmen einen Standort in Österreich eröffnen. Hier würden Chancen verspielt, so der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.