Arzneimittel ausschließlich für schwere Erkrankungen
Wien (APA) - Grundlagenforschung ist die Basis, doch ohne der Erprobung potenzieller Konzepte für die Therapie geht in der Medizin buchstäbl...
Wien (APA) - Grundlagenforschung ist die Basis, doch ohne der Erprobung potenzieller Konzepte für die Therapie geht in der Medizin buchstäblich nichts weiter. „Klinische Studien sind entscheidend für den Fortschritt in der Medizin. Wir haben derzeit 24 solcher Projekte in Österreich durch“, sagte jetzt der Österreich-Geschäftsführer des internationalen Pharmakonzerns AbbVie, Ingo Raimon, gegenüber der APA.
„AbbVie wurde gegründet, um speziell Therapien bei schweren Erkrankungen zu entwickeln“, sagte Raimon. Der Konzern entstand aus der Abspaltung des Arzneimittelgeschäftes des Diagnostik- und Pharmakonzerns Abbott. „Wir haben 2016 einen Gesamtumsatz von 26 Milliarden US-Dollar (21,82 Mrd. Euro) und geben 2017 rund 17 Prozent des Umsatzes für Forschung und Entwicklung aus.“
Nach Jahren relativer Stagnation hat die Zahl der Neuzulassungen von innovativen Arzneimitteln in den USA, der EU, Japan und anderen entwickelten Ländern in jüngerer Vergangenheit deutlich zugenommen. Das ist vor allem auf die Umsetzung der Erkenntnisse aus der modernen Molekularbiologie zurückzuführen. Aktuell befinden sich allein in den USA rund 770 neue Krebsmedikamente und Vakzine in Entwicklung. Es gibt bereits Warnungen, dass eine nicht möglichst effiziente und adäquate Forschungsstrategie zu einem Engpass in der Weiterentwicklung der Medizin führen könnte. Die Zahl der Studien - und natürlich auch der Patienten bzw. Probanden - kann nicht einfach erhöht werden.
„Grundlagenforschung ist wichtig. Aber entscheidend sind die klinischen Studien. Wir haben derzeit rund 60 neue potenzielle Medikamente in klinischer Prüfung, zwölf davon in der Immunologie, 33 in der Onkologe und zum Beispiel vier auf dem Gebiet der Neurologie. In Österreich führen wir derzeit (vor allem im Rahmen internationaler Projekte; Anm.) 24 klinische Studien durch. In den vergangenen vier Jahren wurden in solche Untersuchungen rund 4.000 Patienten eingeschlossen. Für uns ist die Spitzenmedizin ganz wichtig“, sagte Raimon.
Besonders umsatzträchtig - mit 16 Milliarden US-Dollar (13,43 Mrd. Euro) im Jahr 2016 - war für AbbVie in der Vergangenheit der monoklonale Antikörper Adalimumab zur Hemmung des Entzündungsbotenstoffes Tumornekrosefaktor alpha für die Behandlung chronisch entzündlicher Erkrankungen (Gelenksrheuma, Morbus Crohn, schwere Psoriasis). Mit Risankizumab zur Hemmung von Interleukin-23 soll hier eine neue Therapiealternative geschaffen werden. Während monoklonale Antikörper ausschließlich per Infusion oder Injektion angewendet werden können, würde der in Wirksamkeitsstudien bereits erfolgreich untersuchte Wirkstoff Upadacitinib ein neues in Tablettenform einzunehmendes Arzneimittel bei chronisch entzündlichen Erkrankungen darstellen. Es handelt sich um einen selektiven Hemmstoff des Enzyms JAK1-Kinase.
In den vergangenen Jahren haben in der Onkologie vor allem monoklonale Antikörper zur Hemmung ganz bestimmter Oberflächenstrukturen von bösartigen Zellen und zur Beseitigung der durch Tumoren bewirkten „Bremse“ für die körpereigenen Abwehrzellen („Checkpoint“-Inhibitoren) deutliche Fortschritte in der Behandlung verschiedenster Krebserkrankungen gebracht. Doch man kann monoklonale Antikörper auch dazu verwenden, Chemotherapeutika ganz exakt in bösartige Zellen hineinzubringen.
Auf diesem Gebiet laufen klinische Studien mit Rova-T (Rovalpituzumab Tesirine). Das ist ein Antikörper, der das DLL3-Protein von Krebsstammzellen anvisiert und gleichzeitig das Zytostatikum Tesirine in die bösartigen Zellen einschleust. Das könnte - auch in Kombination mit Checkpoint-Inhibitoren - zu einer ersten wirklich effektiven Behandlungsform für Patienten mit einem kleinzelligen Lungenkarzinom werden. Bei dieser Erkrankung sind die Behandlungschancen bisher schlecht.
Ein vom Prinzip her ähnliches Entwicklungsprodukt ist Depatuxizumab Mafodotin. Das ist ein Konstrukt aus einem Antikörper gegen den Wachstumsfaktor-Rezeptor EGFR und der chemotherapeutisch wirksamen Substanz Monomethyl Auristatin F. Dieser Wirkstoff soll Patienten mit schwer behandelbaren Hirntumoren (Gliom) helfen.
Erst vor kurzem gab es bei den Alpbacher Gesundheitsgesprächen erneut Diskussionen über die Kosten von innovativen Arzneimitteln. „In Österreich läuft bei den Arzneimittelkosten für die Krankenversicherungen gar nichts aus dem Ruder. Wir hatten vergangenes Jahr ein sattes Minus im Kassenmarkt“, sagte Raimon.
Ein Großteil der innovativen und oft aus der Biotechnologie stammenden Arzneimittel wird allerdings zunächst in den Kliniken eingesetzt. Kritik gab es in jüngerer Vergangenheit vor allem wegen der - vorübergehend - extrem hohen Preise für neue, hoch effektive und naturgemäß patentgeschützte Medikamente, die bis zum Auftauchen von Konkurrenzprodukten allein auf dem Markt waren und somit auf ihrem Anwendungsgebiet ein Monopol hatten.