Sobotka sieht Sicherheitspaket als gescheitert
Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat sich nach dem Nationalen Sicherheitsrat am Freitag enttäuscht gezeigt: Das Sicherheitspaket werde „in dieser Periode nicht mehr“ kommen, meinte er. „Der linke Flügel hat sich leider durchgesetzt.“ Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) versicherte allerdings weiter Gesprächsbereitschaft: „Ich sehe das überhaupt nicht als gescheitert an.“
Für Sobotka hat die Sitzung des von der ÖVP einberufenen vertraulichen Gremiums im Bundeskanzleramt dagegen ergeben, dass das Sicherheitspaket „so nicht kommt“, wie er vor Journalisten sagte. „Das ist für die Sicherheit Österreichs wirklich ein schwerer Schlag.“
Der „linke Flügel“ habe sich durchgesetzt, meinte der Innenminister. Darauf angesprochen, dass freilich auch die FPÖ das Paket ablehnt, verwies Sobotka darauf, dass die SPÖ Koalitionspartner der ÖVP sei. Zuletzt habe es auch positive Signale aus der SPÖ gegeben, gleichzeitig seien jedoch alle Gesprächseinladungen abgelehnt worden. Inhaltlich könne er sich die Ablehnung nicht erklären. „Das ist leider Gottes wirklich Wahlvorbereitung“, glaubt der Innenminister. „Es tut mir leid um die Sicherheit.“ Die ÖVP werde „alles tun“, um das Paket auf die Tagesordnung des nächsten Parlaments zu setzen.
Nicht ganz so dramatisch schilderte Vizekanzler Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) die Situation: Dass das Paket nun gescheitert sei, „kann man derzeit noch nicht sagen“. Es gebe seitens der SPÖ kein endgültiges Nein, „aber wir haben keine zeitliche Perspektive“. Die Überwachung internetbasierter Kommunikation stehe eigentlich im Regierungsprogramm, erinnerte Brandstetter, und auch die Experten im Sicherheitsrat hätten klar aufgezeigt, dass die Polizei entsprechende Möglichkeiten brauche.
Es sei „eine Frage der Verantwortung für die Sicherheit im Land“. Dass die ÖVP mit dem Thema Wahlkampf betreibe, wies Brandstetter zurück: Im Gegenteil habe er sich bemüht, das Thema aus dem Wahlkampf draußen zu halten. Die ÖVP sei für Gespräche offen. Aber, räumte Brandstetter ein: „Wenn nicht bald was kommt, ist der Zug abgefahren.“
Die SPÖ stehe grundsätzlich dazu, dass es mehr Sicherheit geben müsse und die Polizei die richtigen Instrumente bekomme, um Herausforderungen wie Terrorismus zu begegnen, betonte Doskozil. Aber auch ein ordentlicher Rechtsschutz sei eben sehr wichtig. Hier brauche es „durchaus noch Diskussionen“. Man schlage die Einrichtung einer Arbeitsgruppe mit technischen Experten und Verfassungsexperten vor, die technische Lösungen zur Überwachung der Internet-Kommunikation von Terrorverdächtigen erarbeiten soll.
Die von der ÖVP vorgelegten Entschärfungen wollte Doskozil noch nicht bewerten, da man noch keine Gesetzestexte dazu habe. Es werde aber sicherlich weitere Gesprächstermine geben, meinte Doskozil, wobei er offensichtlich keine Eile damit hat: Das Thema „darf nicht in den Wahlkampf gezogen werden“, erklärte er, es brauche ein sauberes Gesetz. „Es ist vollkommen unerheblich, ob das vor oder nach dem 15. Oktober kommt.“
Die Opposition sprach auch im Anschluss von einer „Wahlkampf-Veranstaltung der ÖVP“, gegen das Sicherheitspaket habe es eine regelrechte „Ablehnungsfront“ gegeben, erklärte der Grüne Klubchef Albert Steinhauser. Der Sicherheitsrat sei ein „Luftballon“ gewesen, befand auch FPÖ-Mandatar Walter Rosenkranz. „Erkenntnisgewinn war es keiner.“
Vertretern des Vereins Epicenter Works wollen Sobotka indes wegen seiner Aussage über Kritiker des Sicherheitspakets klagen, wie sie am Freitag ankündigten. Sie bekräftigten auch gemeinsam mit Grünen und NEOS ihre Bedenken über die von der ÖVP geplanten Maßnahmen.
Sobotka hatte den Kritikern seines Sicherheitspakets in- und außerhalb des Parlaments ausgerichtet, einen „Anschlag auf die Sicherheit Österreichs“ zu begehen. Die Vertreter von Epicenter Works zeigten sich darüber am Freitag erschüttert. Laut Rechtsanwalt Ewald Scheucher sollen daher unter anderem vom Obmann und dem Geschäftsführer insgesamt vier Klagen, strafrechtlich sowie zivilrechtlich, in etwa zehn Tagen eingebracht werden. Geklagt wird der Innenminister etwa wegen übler Nachrede. Scheucher hat den Eindruck, Sobotka fühle sich in einer „gottgleichen Stellung“, anders lasse sich nicht erklären, dass man auf fundierte Kritik „dermaßen überzogen reagiert“: „Hier wurden Linien überschritten.“
Obmann Christof Tschohl sprach von einem „Schulterschluss der Zivilgesellschaft“ zum „sogenannten Sicherheitspaket, das wir Überwachungspaket nennen“. Die Gesetzesvorlage gehe dabei weit über die Ankündigungen hinaus, dies sei bedenklich und gefährde die Demokratie. Betroffen seien von den geplanten Maßnahmen alle, verwies er etwa auf lückenlose Kennzeichenerfassung im Straßenverkehr. Teilweise sei das Gesetz auch „handwerklicher Pfusch“, erklärte er weiters. Tschohl ortet auch „massive Rechtsschutzlücken“. In der Klage sieht der Vereinsobmann eine Möglichkeit zur Versachlichung der Debatte vor Gericht.
Grünen-Klubchef Steinhauser und der NEOS-Abgeordnete Nikolaus Scherak, die zuvor am Nationalen Sicherheitsrat teilgenommen hatten, übten weitere Kritik am Inhalt des Paktes. Ziel der ÖVP sei es, Unsicherheit zu schüren, meinte Steinhauser. Er ortete einen Einstieg in eine „Massenüberwachung“. Das „heikle und sensible Thema“ müsse aus dem Wahlkampf herausgehalten werden. Auch Scherak kritisierte den von der ÖVP geplanten „massiven Eingriff in die Grundrechte ohne klarer Zielrichtung“: „Wir brauchen ein größtmögliches Maß an Sicherheit, aber wollen ein größtmögliches Maß an Freiheit bewahren.“
Auch Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich, ortet eine Gefährdung der Demokratie. Er gab zu bedenken, was alles auf dem Handy gespeichert ist, von Terminen über To do-Listen bis hin zu Emojis. Auf diese Inhalte könnte die Regierung dann jederzeit ohne Kontrolle und richterliche Bewilligung zugreifen. „Es ist der Anfang aller schwarzen Listen und Verhaftungslisten“, warnte Patzelt.