Rendi-Wagner: Runder Tisch soll Klarheit über Ärztebedarf schaffen
SPÖ-Gesundheitsministerin Rendi-Wagner legt sich fest: „Wo jetzt Hausärzte tätig sind, werden auch künftig Ärzte ihren Dienst verrichten.“
Sie planen einen neuen Vorstoß bei der Kinderbetreuung.
Pamela Rendi-Wagner: Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein wichtiges Ziel. Kinderbetreuung lastet immer noch weitgehend auf den Schultern der Frauen. Das können wir nur dann lösen, wenn wir qualitativ hochstehende und bundesweit einheitliche Kinderbetreuungsplätze anbieten können. Vor allem bei den unter Dreijährigen und im ländlichen Raum gibt es Aufholbedarf. Es fehlen rund 18.000 Plätze, um das internationale Ziel von 33 Prozent Betreuungsquote zu erreichen. Daher poche ich auf eine Offensive beim Ausbau der Kindergartenplätze. Die 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zur Finanzierung der Kinderbetreuungsplätze läuft mit Jahresende aus. Das heißt: Die Länder und Gemeinden bekommen ab Jänner kein weiteres Geld vom Bund. Das kann ich nicht akzeptieren. Ich habe mehrmals an den Herrn Finanzminister appelliert, über das Jahr 2018 hinaus eine Finanzierungszusage abzugeben.
Die Appelle zeigten keine Wirkung?
Rendi-Wagner: Nein, deshalb habe ich jetzt selbst ein Gesetzespaket geschnürt. Dies beinhaltet den Ausbau der Kinderbetreuungsplätze für die Kleinen, die Schaffung eines zweiten Gratis-Kindergartenjahres und eine Qualitäts- offensive. Es kann nicht von der Postleitzahl abhängen, ob Eltern einen ganztägigen Kindergartenplatz erhalten.
Bleiben wir noch beim angekündigten Gesetzespaket.
Rendi-Wagner: Dieses habe ich gestern an die ÖVP übermittelt. Wir haben einen Dreistufenplan festgelegt: bis 2020 Ausbau der Kindergartenplätze, Verankerung des zweites Gratis-Kindergartenjahres und wenn das erledigt ist, soll als dritte Stufe der Rechtsanspruch auf eine ganztägige Kinderbetreuung festgeschrieben werden. Nur wenn wir dieses Angebot schaffen, kann es auch eine echte Wahlfreiheit geben.
Sehen Sie eine realistische Chance für Ihr Paket?
Rendi-Wagner: Da müssen Sie die ÖVP fragen. Die Inhalte sind im Regierungsprogramm vereinbart worden. Ich denke jedenfalls nicht daran, nur wegen des Wahlkampfs bei der Sachpolitik auf die Stopptaste zu drücken.
Dann kommen wir in Ihren Bereich als Gesundheitsministerin. Eine zentrale Frage ist der Ärztemangel bzw. der Ärztebedarf.
Rendi-Wagner: Wir wissen eines, nämlich dass bis 2025 60 Prozent der Hausärzte das Pensionsalter erreichen. Deshalb arbeiten wir daran, strukturelle Gegenmaßnahmen zu setzen. Die Datenlage über den Ärztebedarf ist aber leider immer noch lückenhaft. Deshalb laden wir Experten aller Stakeholder, also Universitäten, Wissenschaftsministerium, Ärztekammer, Länder und Sozialversicherung an einen runden Tisch.
Wann soll dieses Treffen stattfinden?
Rendi-Wagner: Am 5. September. Ziel ist es, Datenlücken zu schließen. Um die richtigen Schritte setzen zu können, braucht es ein fundiertes Datenmaterial.
In Ihren Überlegungen spielt der Hausarzt eine zentrale Rolle. Warum wollen junge Mediziner nicht mehr Hausarzt werden?
Rendi-Wagner: Die Ansprüche von jungen Ärzten sind heute andere als noch vor 40 Jahren. Laut allen Umfragen streben sie flexiblere Arbeitszeiten an und wollen vermehrt im Team arbeiten. Diese neuen Bedürfnisse wollen wir mit den Regionalen Gesundheitszentren erfüllen. Der Hausarztberuf soll wieder attraktiver werden. Wir müssen unter anderem Hürden vor einer Praxiseröffnung abbauen. Verträge müssen flexibler werden und auf regionale Unterschiede eingehen. Es macht einen Unterschied, ob ich eine Praxis im 12. Wiener Bezirk eröffne oder im Zillertal. Wir entwickeln außerdem ein Modell der Übergangspraxis. So könnte bei Bedarf zuerst die öffentliche Hand bei der Praxisgründung unterstützen. Die Ärztin, der Arzt könnte dann anfangs beispielsweise in einem Angestelltenverhältnis arbeiten – bis er oder sie bereit ist, die Praxis zu übernehmen.
Wie rasch können flexiblere Verträge umgesetzt werden?
Rendi-Wagner: Den ersten Schritt werden wir bei den Regionalen Gesundheitszentren setzen, hier wollen wir modernere Verträge zügig umsetzen. Das Gesetz ist seit Anfang August in Kraft, jetzt sind Sozialversicherung und Ärztekammer am Zug, einen entsprechenden Gesamtvertrag zu verhandeln. Ich erwarte mir, dass der Gesamtvertrag bis Jahresende steht.
Dort, wo jetzt Hausärzte tätig sind ...
Rendi-Wagner: … werden auch künftig Ärzte ihren Dienst verrichten. Neben den geplanten Primärversorgungszentren gibt es zudem regionale Netzwerke, wo bestehende Praxen mit anderen therapeutischen Einrichtungen zusammenarbeiten sollen.
Sie sind jetzt ein halbes Jahr in der Politik. Haben Sie Blut geleckt?
Rendi-Wagner: Ich habe eine große Freude an der Gestaltung und Umsetzung.
Sie spielen in der SPÖ eine sehr wichtige Rolle. Auch im Wahlkampf.
Rendi-Wagner: Ich will meinen Beitrag leisten, damit die SPÖ am 15. Oktober den ersten Platz erreicht. Wenn Sie mich fragen, ob ich weiterhin Frauen- und Gesundheitsministerin bleiben will …
Diese Frage hätte ich jetzt gestellt:
Rendi-Wagner: Würde man mich nach dem 15. Oktober fragen, würde ich Ja sagen.
Auch unter Rot-Blau?
Rendi-Wagner: Auf Farbenspekulationen lasse ich mich nicht ein.
Wie beurteilen Sie die Diskussion um Alfred Gusenbauer. Ist er eine Belastung für den SPÖ-Wahlkampf?
Rendi-Wagner: Solche Fragen sind womöglich für Medienvertreter spannend – doch sie haben mit den Lebenswirklichkeiten der Menschen wenig bis nichts zu tun. Ich will meinen Beitrag leisten, dass unsere politischen Vorhaben bei den Menschen ankommen. Weil dies für ihren Alltag enorm wichtig ist.
Das Gespräch führte Michael Sprenger