Drama in den USA

Blitzopfer aus Tirol: „Ich habe noch nie solche Schmerzen erlebt“

Die hochwertigen Bergschuhe von Mathias Steinhuber wurden komplett zerfetzt.
© TT/Perktold

Der Wahl-Tiroler Mathias Steinhuber wurde vor eineinhalb Wochen in Kalifornien vom Blitz getroffen. Nach einem einwöchigen Krankenhausaufenthalt in den USA konnte er jetzt nach Tirol zurückkehren.

Von Renate Perktold

Innsbruck – Rein äußerlich wirkt Mathias Steinhuber unversehrt: Die grünen Augen leicht geschwollen vom Jetlag und vom wenigen Schlaf der letzten Tage, der Bart etwas wild gewachsen, die dunkelbraunen Haare verstrubbelt. Nichts deutet darauf hin, dass er vor eineinhalb Wochen vom Blitz getroffen wurde. Doch dann zeigt der 31-jährige Wahl-Tiroler seinen Kopf: Eine rund fünf Zentimeter lange Narbe hat sich in den Schädel gebohrt, über der Brust schimmert eine rötliche Narbe in Zick-Zack-Form. Ein runder Kreis unter dem Bauch eingebrannt – dort, wo sich der Hosenknopf förmlich in seine Haut eingeschmolzen hat. Auch am Rücken und an den Beinen sind solche Wunden, zum Teil noch offen, zum Teil schon fast verheilt. Sie sind die letzten Zeugnisse eines Zwischenfalls, der den gebürtigen Oberösterreicher beinahe sein Leben gekostet hätte.

Gewitter in Entfernung

Eigentlich war es der Abschluss einer wunderschönen Urlaubsreise entlang der kalifornischen Westküste für ihn und seine Freundin Kathrin Klausner. In zwei Tagen stand die Heimreise an, eine letzte Wanderung mit einer ortskundigen amerikanischen Freundin entlang des „Pacific Crest Trails“ sollte der krönende Abschluss sein. „Als wir losgingen, schien die Sonne, es waren Gewitter vorhergesagt, aber wir hatten das im Auge. Im Lauf der Wanderung bemerkten wir immer wieder Blitze, aber sie waren jeweils einige Kilometer von uns weg und die Gewitter zogen in südwestlicher Richtung an uns vorbei“, erinnert sich Steinhuber an die dreistündige Wanderung. Das Paar marschierte mit der sportbegeisterten Freundin über einen langen Bergrücken. „Von dort aus kann man mehrmals Abstecher auf verschiedene Gipfel machen. Das haben wir dann auch beim Tinker Knob gemacht“, schildert der 31-Jährige. Weil er sich nach dem gemütlichen Geh-Tempo etwas auspowern und noch ein paar Fotos machen wollte, lief Steinhuber den beiden Frauen voraus auf den 2728 Meter hohen Gipfel.

Mathias Steinhuber und seine Freundin Kathrin Klausner: Glücklich und verhältnismäßig gesund wieder daheim in Tirol.
© TT/Perktold

„Oben angekommen habe ich erst einmal Fotos von der Umgebung gemacht. Es deutete nichts darauf hin, dass eine Gewitterzelle über uns war“, erinnert er sich. Doch plötzlich schlug ein Blitz ein – direkt in seinen Kopf. „Von da an weiß ich erst mal nichts mehr.“

„Ich dachte, er ist gestorben“

Seine Freundin Kathrin hingegen wurde unfreiwillig Zeugin des dramatischen Vorfalls. Sie schaute beim Aufstieg immer wieder hoch zu ihrem Freund. Plötzlich gab es einen ohrenbetäubenden Knall. „Als ich wieder hochschaute, sah ich nur Rauch und Funken. Da dachte ich, der Mathias ist gestorben“, schildert die gebürtige Unterländerin die dramatischen Sekunden. In einem ersten Impuls lief sie, so schnell sie konnte, zu ihrem Freund, der zu Boden geschleudert worden war. Seine Kleidung hing zerfetzt an ihm herunter, einen Schuh hatte der Blitz davongeschleudert, der Oberösterreicher lag ohne Bewusstsein da.

„Plötzlich schlug ein Blitz neben mir ein“, erzählt die 29-Jährige. Sie spürte ein Kribbeln in Brust und Armen und lief – da sie Mathias nicht sehen konnte – in entgegengesetzte Richtung zu ihrer Freundin, die weiter unten gewartet hatte. Auch sie war von der Wucht des Blitzes getroffen worden, blieb aber unverletzt. Die beiden Frauen alarmierten völlig aufgelöst die Rettung – und mussten eine gefühlte Ewigkeit auf den Hubschrauber warten. „Wir hockten da und ich schrie immer wieder nach Mathias. Ich dachte wirklich, er ist tot. Erst nach einiger Zeit, es waren wohl rund 15 Minuten, hörte unsere Freundin Carla ein Stöhnen und ich bemerkte, dass sich oben etwas bewegte. Dann sah ich, wie Mathias langsam einen Arm in die Höhe streckte.“

Enorme Schmerzen nach Blitzeinschlag

Tatsächlich war der Wahl-Tiroler am Gipfel wieder zu sich gekommen, unter enormer Anstrengung versuchte er, sich aufzusetzen. Immer wieder knickte er weg. „Ich wusste im ersten Moment gar nicht, ob das real ist, was mir passiert ist. Es war wie in einem Alptraum, in dem man sich nicht bewegen und nicht sprechen kann“, zeichnet der 31-Jährige die Zeit bis zum Eintreffen der Rettungsmannschaft am Berg nach. Die beiden Frauen waren von der Rettung aufgefordert worden, sich dem Gipfel nicht zu nähern, weil es zu gefährlich war. So mussten sie von unten aus beobachten, wie erst nach einer knappen Stunde ein Heli angeflogen kam, der Mathias ins nahegelegene Krankenhaus nach Truckee brachte.

Die Wunde am Rücken ist nach eineinhalb Wochen schon wieder gut verheilt.
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Sie selbst liefen danach mehr als drei Stunden den Berghang wieder hinunter und fuhren mit dem Auto weitere zwei Stunden in die Klinik nach Sacramento, in die das verletzte Blitzopfer in der Zwischenzeit verlegt worden war, weil es dort eine Spezialabteilung für Verbrennungen gibt. Erst nach und nach setzten beim dem 31-Jährigen nach dem Schock die Schmerzen ein – aber sie trafen ihn mit voller Wucht: „Ich habe noch nie solche Schmerzen gespürt. Ich habe in keinem Moment ans Sterben gedacht, ich wollte nur, dass diese Schmerzen weggehen.“

Schweiß rettete Leben

Paradoxerweise dürfte ihm sein Lauf auf den Gipfel das Leben gerettet haben. Dadurch, dass er stark verschwitzt war, wurde die Energie des Blitzes außen über die Haut abgeleitet, die Organe blieben unversehrt. „Die Ärzte in Sacramento haben eine Computer-Tomographie gemacht. Ich hatte keine inneren Verletzungen, aber solche unerträglichen Schmerzen, irgendwann hab ich einfach nur noch geheult“, erinnert er sich. Erst nach sechs Stunden konnte seine Freundin sich dann persönlich davon überzeugen, dass er den Unfall überlebt hatte. „Ich hatte solche Angst. Als er mich dann mit „Baby, entschuldige – ich wollte dich anrufen‘ begrüßt hat, wusste ich, dass er ganz der Alte ist“, erzählt die Tirolerin lachend. Die nächsten Tage waren geprägt von wenig Schlaf und weiteren enormen Schmerzen, die Steinhuber aushalten musste.

Kathrin wich nicht von seiner Seite – und zahlreiche Freunde aus Amerika unterstützten das Paar nach Kräften. „Es waren eigentlich immer Leute da, die Stimmung war gut. Wir haben eine so unglaubliche Gastfreundschaft und Herzlichkeit erfahren, für die ich enorm dankbar bin. Das hat mir sehr viel Kraft gegeben“, ist Steinhuber überzeugt. Tatsächlich schreitet seine Genesung in enormem Tempo voran. Seit Donnerstag ist das Paar zurück in Tirol, wird von Eltern und Schwiegereltern umsorgt und verwöhnt. Die Verbrennungsnarben werden langsam blassrosa, die starken Schmerzen tauchen nur noch lokal auf. Steinhuber ist zuversichtlich, dass sich auch sein 50-prozentiger Gehörverlust wieder verbessert, die Nervenschmerzen nachlassen.

Ein letztes Kopfzerbrechen bereitet den Tirolern nur die Krankenhausrechnung, denn die einwöchige Behandlung in den USA dürfte weit über 100.000 Euro gekostet haben. Noch ist nicht geklärt, ob die Versicherungen die Kosten dafür übernehmen. Doch trotz allem blickt Steinhuber optimistisch in die Zukunft, schwärmt seiner Kathrin scherzhaft von einer schönen Villa im Grünen vor – vielleicht sogar mit einem Lottogewinn. Denn statistisch gesehen ist es wahrscheinlicher, im Lotto zu gewinnen, als ein zweites Mal vom Blitz getroffen zu werden.

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