UN-Sonderbotschafterin Murad will Gerechtigkeit für IS-Opfer

Stuttgart (APA/dpa) - Sie wurden verschleppt, verkauft und vergewaltigt. Yezidische Frauen haben in IS-Gefangenschaft Grauenhaftes erlebt. I...

Stuttgart (APA/dpa) - Sie wurden verschleppt, verkauft und vergewaltigt. Yezidische Frauen haben in IS-Gefangenschaft Grauenhaftes erlebt. Immer mehr wagen es, darüber zu sprechen. Die Täter zu bestrafen, ist jedoch schwierig.

UN-Sonderbotschafterin Nadia Murad will die Sklavenhalter der Terrormiliz Islamischer Staat vor Gericht bringen, sieht aber große Hürden. „Ich will nicht Rache, sondern Gerechtigkeit“, sagte die junge Yezidin, die den Terror des IS überlebt hat, der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Das sei aber sehr schwierig, obwohl immer mehr Opfer - vorwiegend yezidische Frauen - über ihr Martyrium aussagten. „Das Problem lag bisher bei der irakischen Regierung, die den internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu Ermittlungen auffordern müsste.“

Hayri Demir, Experte einer yezidischen Nachrichtenplattform, sieht allerdings aktuell Bewegung, die er auf das Engagement von Nadia Murad und ihrer prominenten Mitstreiterin, der Menschenrechtsanwältin Amal Clooney, zurückführt. Jüngst habe die irakische Regierung einen Brief an die UN geschickt - mit dem Wunsch, Ermittlungen gegen IS-Täter aufzunehmen. Demir vermutet, dass die Regierung zudem eine territoriale Begrenzung auf die Region Shingal beantragt.

Damit würde ausgeschlossen, dass Vergehen der irakischen Streitkräfte in anderen Teilen des Landes verfolgt würden, erläutert Demir. In Shingal seien die Streitkräfte nicht aktiv gewesen. „Es geht darum, dass den Opfern Gerechtigkeit widerfährt, aber auch generell darum, dass solche Verbrechen nicht ohne Konsequenzen bleiben.“ Bisher sei noch kein IS-Terrorist wegen Völkermordes verurteilt worden.

Nadia Murad ist seit einem knappen Jahr die erste „Sonderbotschafterin für die Würde der Überlebenden von Menschenhandel“ der Vereinten Nationen. Ihr Schicksal steht für das vieler Yezidinnen im Irak. Nadia Murad war im August 2014 bei einem Überfall des IS auf ihr Dorf verschleppt und anschließend in die Sklaverei verkauft worden. Die junge Frau konnte entkommen und fand über ein Sonderprogramm für missbrauchte Frauen und Kinder aus dem Nordirak Aufnahme in Baden-Württemberg.

Im Nordirak ist die Zahl der entführten Frauen nach ihren Informationen inzwischen unter 3000 gesunken. Im Jahr 2014 waren nach Auskunft des Experten Demir noch etwa 7000 Frauen in den Händen des IS. Die 24-Jährige ist von einer Horrorvorstellung getrieben: „Es darf nie passieren, dass Täter sich die Bärte abschneiden und so durch die Straßen laufen, als gäbe es die Verbrechen an den yezidischen Frauen nicht.“

Dass immer mehr Frauen freikommen, liege vor allem am Machtverlust des IS - aber die Terroristen schlügen auch daraus noch Profit, sagt Murad. „Die Frauen werden zu horrenden Preisen an ihre Familien zurückverkauft.“ So sei eine Schwägerin und deren Kind für 17.500 Dollar (14.680 Euro) aus der Gefangenschaft freigekommen. Ein Schwager habe das Geld zusammengekratzt. Sie hofft, dass die Familienangehörigen über ein Programm, wie es jetzt auch Brandenburg plant, nach Deutschland kommen können.