Mahnmal für die 1938 vertriebenen Juden von Kobersdorf
Kobersdorf (APA) - Kobersdorf, ein kleines Dorf in einer Senke im Mittelburgenland, hatte jahrhundertelang eine lebendige jüdische Gemeinde....
Kobersdorf (APA) - Kobersdorf, ein kleines Dorf in einer Senke im Mittelburgenland, hatte jahrhundertelang eine lebendige jüdische Gemeinde. Hier lebten seit dem Jahr 1527 Juden, die nach der Vertreibung aus dem nahen Ödenburg (Sopron) eine neue Heimat fanden. Die rund 400-jährige Geschichte jüdischer Besiedlung wurde durch die Nationalsozialisten 1938 brutal beendet.
Mit einem Mahnmal, das heute Sonntag eröffnet wird, wird nun eine Gedenkstätte geschaffen.
Der erste namentlich bekannte Kobersdorfer Jude hieß Gerstl, ursprünglich Gerson. Er kam 1529 als Flüchtling aus Ödenburg, wo er sein Haus verkaufen musste. Sein Name ist urkundlich als Gerstl Judaeus bezeugt, der in Kabold (ungarischer Name von Kobersdorf) lebte und der Stadt Ödenburg bestätigte, dass er keine Forderungen mehr erheben werde. Auf einer Namensliste des Jahres 1585 finden sich 17 Namen jüdischer Untertanen der Kobersdorfer Herrschaft - mit ihren Familien waren es wohl rund 90 Personen.
Kobersdorf wurde eine der „Siebengemeinden“ (hebräisch: Schewa Kehilot) des Burgenlands, sieben Gemeinden, in denen es jüdische Gemeinschaften mit religiösem Leben, Synagogen und Friedhöfen gab. Die weiteren sechs waren Eisenstadt, Lackenbach, Frauenkirchen, Deutschkreutz, Kittsee und Mattersdorf (heute Mattersburg). Sie standen unter dem Schutz der Grafen Esterhazy - dafür mussten sie Schutzgeld an die Grafen zahlen. Graf Paul Esterhazy übernahm 1704 die Herrschaft über Kobersdorf und stellte den Juden einen Schutzbrief aus.
Die Kobersdorfer Juden waren Viehhändler und Hausierer, Flickschneider und Schneider, Gerber und Kürschner, geht aus einer Berufsliste des Jahres 1768 hervor. Der Erwerb und Besitz von Grund und Boden war den Juden damals verboten, auch gab es zahlreiche restriktive Gesetze und Verordnungen. So erließ etwa Kaiserin Maria Theresia 1753 eine Judenordnung, die ihnen die Ausübung des Arztberufs - auch in der eigenen Gemeinde - verbot.
Mitte des 19. Jahrhunderts war die jüdische Gemeinde von Kobersdorf am größten. Die alte Synagoge wurde zu klein. Der Neubau gegenüber vom Schloss wurde im April 1860 feierlich eröffnet, damals zählte Kobersdorf 600 jüdische Einwohner, das waren rund 40 Prozent der Gesamtbevölkerung. Auch ein eigenes Schulgebäude stand bis zur Vertreibung der Juden in Verwendung.
Im Ersten Weltkrieg kämpften Kobersdorfer Juden in den königlich-ungarischen Truppen, da das Burgenland damals ja zu Ungarn gehörte. Die Namen einiger jüdischer Gefallener finden sich am Kriegerdenkmal im Ort, neben den Namen der gefallenen christlichen Soldaten. In der Zwischenkriegszeit nahm der Antisemitismus auch im Burgenland zu.
Sofort nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich im März 1938 begann die Vertreibung der Kobersdorfer Juden. Vertreter der Kultusgemeinde wurden in Oberpullendorf eingesperrt, der Rabbiner Simon Goldberger wurde weggebracht und misshandelt. Im Burgenland wütete der Gauleiter Tobias Portschy, der die Vertreibungen und Enteignungen organisierte. Schon Ende Mai 1938 meldeten die örtlichen Nazi-Machthaber, dass Kobersdorf von den Juden „befreit“ worden sei. Per Gemeinderatsbeschluss erhielt das Dorf einen neuen Ehrenbürger, Adolf Hitler.
Die meisten burgenländischen Juden flüchteten nach Wien zu Verwandten oder Freunden. Viele wurden später in Konzentrationslagern ermordet oder in den Osten deportiert und dort erschossen. Während andere burgenländische Synagogen gesprengt wurden, wurde der Tempel in Kobersdorf von den Nazis stehen gelassen. Heute erinnern nur mehr die hinter einem Drahtzaun verfallende Synagoge und der jüdische Waldfriedhof am Rande des Dorfes an die jahrhundertelange jüdische Geschichte. Die Namen der Familien finden sich auf den 1.354 Grabsteinen mit hebräischen Inschriften.
Der Verein zum Gedenken an die vertriebenen jüdischen Einwohner von Kobersdorf hat sich jahrelang für ein Mahnmal eingesetzt, das nun mit Spenden- und Fördergeldern errichtet wurde. Es liegt mitten im Ort zwischen dem Schloss und der Synagoge. Darauf sind die Namen jener 219 Jüdinnen und Juden eingraviert, die aus Kobersdorf stammten und vertrieben wurden. Etwa 160 davon wurden als Opfer des Rassenwahns der Nazis ermordet. Der Entwurf des Denkmals stammt vom verstorbenen Phantastischen Realisten Ernst Fuchs, der selber jüdische Vorfahren aus Kobersdorf hatte. Der frühere Kobersdorfer Bürgermeister, Erwin Hausensteiner, ist Obmann des Gedenkvereins. Seine umfassenden Recherchen zur Geschichte der Juden seines Dorfes hat der gelernte Baumeister und Hobby-Historiker in einem Buch zusammengefasst: „Die ehemalige jüdische Gemeinde Kobersdorf“. Als nächsten Schritt will er die Synagoge bewahren und öffentlich zugänglich machen: Der Freundeskreis „Rettet die Synagoge Kobersdorf“ bemüht sich um die Renovierung des verfallenden Gebäudes.