EU und Türkei als Streitpunkte in deutscher Außenpolitik
Berlin/Ankara (Reuters) - Die Zukunft der EU und der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sind zwei der wichtigsten Themen, über die die de...
Berlin/Ankara (Reuters) - Die Zukunft der EU und der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sind zwei der wichtigsten Themen, über die die deutschen Parteien vor der Bundestagswahl streiten. Es folgt ein Abriss der außenpolitischen Positionen:
UNION CDU/CSU
Die Union will die deutsch-französische Freundschaft als Motor zur Stärkung der EU neu beleben und zugleich die Zusammenarbeit mit dem Nachbarn Polen intensivieren. Sie ist gegen eine Vergemeinschaftung der Schulden in der Euro-Zone. Mit Blick auf die Flüchtlingskrise fordert sie Vereinbarungen mit nordafrikanischen Staaten nach dem Vorbild des EU-Türkei-Abkommens. Eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU lehnen die Unionsparteien weiter ab, plädieren aber für eine enge strategische Kooperation mit dem NATO-Partner in außen- und sicherheitspolitischen Fragen.
Die USA bezeichnet die Union als wichtigsten außereuropäischen Partner und bekennt sich zur NATO. Die EU muss sich ihrer Einschätzung nach allerdings auch selbst mit einer Verteidigungsunion wappnen, wenn sie dauerhaft bestehen wolle. In den angespannten Beziehungen zu Russland setzt sich die Union für den weiteren Dialog ein. In der Entwicklungspolitik plädieren CDU und CSU für einen Marshall-Plan für Afrika.
SPD
Die Sozialdemokraten werben in ihrem Wahlprogramm für den stärkeren Zusammenhalt Europas und machen Front gegen die Rückkehr nationaler Egoismen im Zuge der Finanz- und Flüchtlingskrise. Sie plädieren für ein europäisches Investitionsprogramm, um für neues Wachstum zu sorgen und die hohe Arbeitslosigkeit im Süden der Gemeinschaft zu bekämpfen. Das Geld soll in den Ausbau der Verkehrs-, Energie- und Datennetze, in Bildung, Forschung und den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit fließen. Langfristig setzt sich die SPD für die Einrichtung einer Wirtschaftsregierung für die Euro-Zone und eine Stärkung des Europäischen Parlaments ein.
Außerhalb Europas betrachtet die SPD weiter die USA als engsten Partner Deutschlands. Allerdings müsse sich Deutschland künftig selbst stärker einbringen, um für Frieden und Sicherheit in der Welt zu sorgen. Gegenüber Russland fordert die SPD eine Deeskalation. Mit Blick auf die Türkei hat SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz ein härteres Vorgehen und auch die Möglichkeit einer Reisewarnung für das Land angedeutet, die dem Tourismus und damit der türkischen Wirtschaft massiv schaden dürfte.
LINKSPARTEI
Die Linke wirft der Bundesregierung vor, die EU und die Euro-Zone mit ihrer Sparpolitik auf einen neoliberalen Kurs zu trimmen, der Europa wirtschaftlich und sozial spalte. Sie fordert einen Neustart der EU, die viel stärker auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet sein müsse. Wie die SPD fordert die Linkspartei ein europäisches Investitionsprogramm, dessen Gelder vor allem in Bildung, Gesundheitsversorgung, Pflege, Verkehr und Wohnen fließen sollen. Mit Blick auf die Flüchtlingskrise lehnt sie das Abkommen mit der Türkei ebenso ab wie Pläne zur Schaffung von Auffanglagern in Nordafrika.
Die Linkspartei ist auch gegen eine stärkere Rolle Deutschlands in der Weltpolitik, außer, wenn es dabei um Abrüstung und Friedenspolitik geht. Mit Blick auf Russland kritisiert die Linke eine „fatale Konfrontationpolitik“ der EU. Sie verlangt stattdessen eine auf Entspannung orientierte Ostpolitik und ein Ende der NATO-Erweiterung. Gegenüber der Türkei fordert Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht ein härteres Vorgehen, das auch eine Reisewarnung umfasst.
GRÜNE
Die Grünen plädieren für eine solidarischere Euro- und Europa-Politik Deutschlands, um die Gemeinschaft zu stärken. „Dazu gehört, dass auch Deutschland bereit sein muss, mehr finanzielle Verantwortung zu übernehmen, um die EU auch nach dem Brexit überhaupt handlungsfähig zu halten“, heißt es im Wahlprogramm. Auch in der Frage der Exportüberschüsse und bei Projekten wie der Pipeline Nord Stream 2 müsse Deutschland stärker auf die Bedürfnisse anderer europäischer Staaten eingehen. Die Grünen fordern einen Paradigmenwechsel weg von der Sparpolitik hin zu mehr Investitionen in Europa und eine Stärkung des Europäischen Parlaments.
Die Grünen stehen hinter den Sanktionen gegen Russland. Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sollen nach ihrem Willen erst dann fortgesetzt werden, wenn das Land eine Kehrtwende zurück zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vollzieht.
FDP
Angesichts isolationistischer Tendenzen in den USA setzt sich die FDP für eine Stärkung der EU und des Europäischen Parlaments ein. Zugleich fordert sie eine Verkleinerung der EU-Kommission sowie die Abschaffung des Parlamentssitzes in Straßburg. Die Kommission soll sich nach dem Willen der FDP nur um Themen kümmern, die besser auf europäischer Ebene geregelt werden, und den Rest den Nationalstaaten überlassen. Die FDP ist für eine europäische Armee.
Außerhalb Europas bekennen sich die Liberalen zur transatlantischen Partnerschaft und der NATO. Deutschland soll gemäß seiner großen Wirtschaftskraft mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Die FDP steht zu den Sanktionen gegen Russland, strebt mittelfristig aber wieder eine „verlässliche Partnerschaft“ mit der Großmacht an. Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wollen die Liberalen angesichts autoritärer Tendenzen dort stoppen und nur sicherheitspolitisch und wirtschaftlich noch eng mit dem NATO-Partner zusammenarbeiten. Mit Blick auf den Brexit plädiert die FDP für eine Aufnahme Schottlands oder Nordirlands in die EU, falls die Regionen ihre Unabhängigkeit von Großbritannien erklären sollten.
AfD
Die AfD ist gegen eine weitere Integration der EU und setzt sich für den Austritt Deutschlands aus dem Euro ein. Die Partei betrachtet die USA als wichtigsten Bündnispartner Deutschlands. Im Verhältnis zu Russland setzt sie sich für eine Entspannung und ein Ende der Sanktionspolitik ein. Die AfD fordert ein Ende der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, die kulturell nicht zu Europa gehöre, und ein Ende der NATO-Mitgliedschaft des Landes.