H-Bombe würde Nordkoreas Drohpotenzial drastisch erhöhen
Seoul/Pjöngjang (APA/Reuters) - Sollte Nordkorea tatsächlich der Bau einer Wasserstoffbombe gelungen sein, wäre das isolierte Land einen ent...
Seoul/Pjöngjang (APA/Reuters) - Sollte Nordkorea tatsächlich der Bau einer Wasserstoffbombe gelungen sein, wäre das isolierte Land einen entscheidenden Schritt weiter auf dem Weg zur Entwicklung atomar bewaffneter Interkontinentalraketen. Denn als eines der größten Probleme bei der Herstellung von Atomwaffen gilt es, den Sprengkopf so klein und leicht zu konstruieren, dass er von der Trägerrakete auch transportiert werden kann. Wasserstoffbomben entfalten dank ihrer speziellen Funktionsweise eine viel stärkere Sprengkraft als herkömmliche Atombomben. Daher müssen sie im Verhältnis auch nicht so groß und schwer sein.
Gewöhnliche Atombomben stoßen eine Kettenreaktion bei der Kernspaltung an, die starke Energie freisetzt. Wasserstoff- oder H-Bomben dagegen machen sich die wesentlich stärkere Energie zunutze, die sich durch Kernfusionen erzeugen lässt. Sie funktionieren in zwei Stufen: Eine kleinere Atombombe dient lediglich als eine Art Zünder, der seinerseits eine Kernfusion anstößt.
Bisher gibt es keine unabhängige Bestätigung dafür, dass Nordkorea, das seine Atomversuche auf dem unterirdischen Testgelände Punggye Ri unter einem Gebirge vornimmt, tatsächlich erfolgreich eine Wasserstoffbombe getestet hat. Experten, die sich das durch die Explosion ausgelöste Erdbeben mit einer Stärke von über 6 auf der Richterskala näher angeschaut haben, sehen jedoch Hinweise dafür. Sie gehen davon aus, dass das kommunistische Land entweder eine H-Bombe erprobt hat oder diesem Ziel zumindest sehr nahe kam.
In Deutschland registrierte die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) die Erschütterung durch den Test gut elf Minuten nach der Explosion im 8200 Kilometer entfernten Nordkorea an einer Messstation im Bayerischen Wald. Die Sprengkraft der Bombe sei ein Vielfaches höher gewesen als bei früheren nordkoreanischen Atomtests, erklärte die BGR: In der Vergangenheit habe sie der Detonation von etwa zehn bis 25 Kilotonnen TNT entsprochen, diesmal aber der Explosion von wenigen hundert Kilotonnen TNT.
Allein anhand der seismologischen Erschütterung lasse sich allerdings nicht zwischen einer herkömmlichen Atombombe oder einer Wasserstoffbombe unterscheiden. „Der eindeutige Nachweis des nuklearen Ursprungs der Explosion ist nur möglich, sofern Spuren radioaktiver Spalt- oder Aktivierungsprodukte in die Atmosphäre gelangen und nachgewiesen werden können“, erklärte die BGR.
Nordkorea droht nach Tests im Juli damit, dass seine Interkontinentalraketen weite Teile der USA erreichen können. Experten gehen allerdings davon aus, dass die Raketen diese Reichweite nur mit einer Zuladung erreichen könnten, die leichter ist als alle Atomsprengköpfe, die es aktuell produzieren kann. Die Führung in Pjöngjang hat bisher auch nicht bewiesen, dass sie zur Herstellung von Sprengköpfen in der Lage ist, die den Wiedereintritt in die Atmosphäre nach dem Langstreckenflug überstehen können. Bereits im Jänner 2016 hatte Nordkorea verkündet, es habe erfolgreich eine miniaturisierte H-Bombe getestet. Experten gehen allerdings davon aus, dass es sich dabei lediglich um eine herkömmliche Atombombe handelte, die mit Hilfe von Wasserstoff-Isotopen eine höhere Sprengkraft erzeugte.
Stunden vor dem jüngsten Test zeigten die staatlichen nordkoreanischen Medien Fotos von Staatschef Kim Jong-un bei der Inspektion eines erdnussförmigen Geräts. Dem Bericht zufolge handelte es sich dabei um eine Wasserstoffbombe, die als Traglast für eine neue Interkontinentalrakete konstruiert wurde. Die längliche Form unterscheidet die Vorrichtung deutlich von dem runden Gerät, von dem Nordkorea im März 2016 Bilder veröffentlichte. Dies könnte nach Einschätzung von Experten in der Tat auf eine zweistufige, thermonukleare Waffe hindeuten. „Der vordere Teil schaut aus wie eine Atombombe, die die Kernspaltung anstößt, und der hintere Teil wie die zweite Stufe, die die Kernfusion generiert“, sagt der Raketen-Wissenschaftler Chang Young-keun von der Luft- und Raumfahrt-Universität Korea.
Nach dem aktuellen Test sprach Nordkorea zudem erstmals explizit die Möglichkeit eines Angriffs mit einem elektromagnetischen Impuls. Dabei würde eine Bombe in der Atmosphäre gezündet statt sie mit einer Langstreckenrakete auf eine US-Stadt abzufeuern. Einige US-Politiker und Fachleute hatten sich in der Vergangenheit besorgt über das Risiko einer solchen Attacke gezeigt, die einen massiven Energiestoß auslösen und damit dem US-Stromnetz ebenso wie anderen kritischen Infrastrukturen schwere Schäden zufügen könnte.