Glücksbeauftragte sollen Untertanen in den Emiraten bei Laune halten
Berlin/Dubai (APA/dpa) - Traditionell tragen Araber ihre Bitten und Klagen im Diwan des Herrschers direkt vor. In den Emiraten ist das heute...
Berlin/Dubai (APA/dpa) - Traditionell tragen Araber ihre Bitten und Klagen im Diwan des Herrschers direkt vor. In den Emiraten ist das heute - bei 1,6 Millionen Untertanen - nicht mehr so leicht zu organisieren. Dafür gibt es in Abu Dhabi und Dubai jetzt Glücksbeauftragte.
Als 2011 in Tunis die Barrikaden brennen und die Libyer zu den Waffen greifen, bleibt es in den Vereinigten Arabischen Emiraten ruhig. Das Feuer der „Arabellion“ (Arabischer Frühling) zieht an den vom Staat rundum versorgten Menschen in Dubai, Sharjah und Abu Dhabi fast spurlos vorbei. Doch die Herrscher bleiben wachsam. Wer in dieser Zeit kritische Kommentare in Sozialen Medien platziert, landet schnell hinter Gittern. Um mögliche Eruptionen jugendlicher Rebellion künftig schon im Kern zu ersticken, hat die Petrodollar-Monarchie 2016 ein „Ministerium für Glück“ geschaffen.
In den Behörden des Landes sorgen sich heute Glücksbeauftragte um das Wohlergehen von Hunderttausenden Staatsdienern. „Wenn wir positives Denken erzeugen wollen, betrachten wir drei Pfeiler: Harmonie am Arbeitsplatz, Lebensstandard und die Frage, wie man das Glück in unserer Gesellschaft messen kann“, erklärt der Botschafter der Emirate in Deutschland, Ali Abdullah al-Ahmed.
Doch was heißt das konkret, in einem Land, in dem ein Heer von Arbeitsmigranten den Einheimischen fast alle körperlich anstrengenden, unangenehmen Arbeiten abnimmt? Ahmed sagt: „Wenn die Menschen zum Beispiel weniger Zeit brauchen, um zu ihrem Arbeitsplatz zu gelangen, dann könnte sie das glücklicher machen oder wenn sie spüren, dass ihre Beschwerden und Vorschläge ernst genommen werden.“
Die Universität von Dubai organisierte im Frühjahr ein „Glücksseminar“. Ein „Glücks-Festival“, zu dem auch in Dubai ansässige Ausländer eingeladen waren, wurde von Psychologen und Wellness-Experten begleitet. Am 20. März, dem Internationalen Tag des Glücks, schloss sich die Ministerin für Glück, Ohood bint Khalfan al-Roumi, einer Straßenparade an, bei der Männer und Frauen Schilder mit dem Slogan „Ich bin ein Optimist“ trugen.
Als Inspiration diente den arabischen Herrscher das Himalaya-Land Bhutan. Der Kleinstaat stellt schon seit mehr als 40 Jahren das Glück seiner Bewohner über das Wirtschaftswachstum. Was die Regierungsform angeht - Bhutan hat vor zehn Jahren die Demokratie eingeführt - so bleiben die Emirate aber lieber beim Altbewährten. Als ihn eine Tunesierin bei einer Vortragsveranstaltung in Berlin fragt, ob Glück ohne Demokratie überhaupt denkbar sei, antwortet Botschafter Ahmed: „Wählen zu gehen ist keine Garantie für ein besseres Leben. Nicht jeder, der durch Wahlen an die Macht kam, war ein guter Führer. Für uns funktioniert unser eigenes Modell, die Monarchie, gut.“
Tatsächlich sind die Vereinigten Arabischen Emirate für viele Bürger anderer arabischer Staaten ein Sehnsuchtsort. Einer Umfrage zufolge würde jeder dritte junge Araber gerne dort leben. Zum Vergleich: 13 Prozent der Befragten gaben Deutschland als Wunsch-Ziel an. Und das, obwohl Einwanderer in Deutschland nach einigen Jahren die Möglichkeit erhalten, Deutsche zu werden. In den Emiraten, wo vier von fünf Einwohnern Ausländer sind, ist das nicht vorgesehen.
Das Glücksministerium ist nicht die erste Maßnahme der Emirate, um möglichen Unmut in der Bevölkerung zu bekämpfen. Anfang 2012 hatte der Präsident der Emirate einkommensschwachen Bürgern Schulden in Millionenhöhe erlassen. Scheich Khalifa bin Zaid al-Nahyan ordnete damals an, die Schulden von 6.830 Emiratis in Höhe von insgesamt zwei Milliarden VAE-Dirham (rund 480 Million Euro) zu begleichen.
Eine weitere Präventivmaßnahme war 2016 die Gründung des „Ministeriums für Toleranz“. Die Arabische Welt sei leider „voll von Krieg und Zerstörung“, sagt Botschafter Ahmed. Die Emiratis seien davon zwar nicht direkt betroffen. Doch viele Bürger seines Landes fühlten mit ihren arabischen Brüdern. Da falle es manchmal schwer, positiv zu denken. Damit die Terrornetzwerke der Region keine jungen Emiratis rekrutieren können, will ihnen die Regierung nahebringen, „dass die Araber in der Phase der Geschichte, in der sie tolerant waren, produktiv und führend in Wissenschaft und Philosophie waren“.
Diese Botschaft wollen die Emirate jetzt auch exportieren. In Pakistan und Nigeria, zwei Staaten, die unter religiös motiviertem Extremismus zu leiden haben, organisieren sie „Toleranz-Kurse“ für islamische Prediger. Ein ungewöhnlicher Schritt - schließlich haben religiöse Stiftungen aus den Golf-Staaten seit den 1980er Jahren durch die Finanzierung salafistisch orientierter Religionsschulen im Ausland den Boden für die Entstehung von Terrorgruppen bereitet. So nah wie in Deutschland ist der Botschafter der VAE dem Terror noch nie gekommen. Einen Tag vor dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz war er mit seiner Familie dort auf dem Weihnachtsmarkt unterwegs.
Ahmed findet, auch bei den Deutschen sei in Sachen Glück noch Luft nach oben. Der Botschafter, der seit 14 Monaten in Berlin ist, findet zum Beispiel, die Deutschen sollten auf die Leistungen ihrer Ingenieure und Erfinder ruhig etwas stolzer sein und lernen, ihre Erfolge mehr zu genießen. Sein Eindruck ist: „Einige andere Staaten haben einen viel geringeren Beitrag geleistet, aber sie machen viel mehr Aufhebens darum.“