Islamisten im Gefängnis: Brandstetter will mit Marokko kooperieren

Rabat/Sale/Wien (APA) - 64 Islamisten sitzen in Österreich im Gefängnis. Um sie zu deradikalisieren, will sich Justizminister Wolfgang Brand...

Rabat/Sale/Wien (APA) - 64 Islamisten sitzen in Österreich im Gefängnis. Um sie zu deradikalisieren, will sich Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) nun auch bei anderen etwas abschauen - und zwar in Marokko. „Wir können hier viel voneinander lernen“, zeigte sich Brandstetter beim Besuch einer Haftanstalt in Rabat, in der allein schon 200 Extremisten einsitzen, „höchst interessiert“ an den dortigen Programmen.

Erst kürzlich sorgte der Fund eines salafistischen Buchs in der Bibliothek der Justizanstalt Korneuburg für Aufregung. Insgesamt rund 200 Islamisten gibt es Schätzungen zufolge in Österreich. Im nordafrikanischen Königreich Marokko mit seinen fast 35 Millionen Einwohnern ist der islamistische Terror vor allem seit den Bombenanschlägen in Casablanca 2003 Thema. Innerhalb kurzer Zeit sei man mit einer größeren Zahl an Islamisten in den Gefängnissen konfrontiert gewesen, wie Brandstetter in Rabat erklärt wurde. Anfangs brachte man sie noch alle in einer Anstalt unter, was dazu führte, dass sie sich noch weiter radikalisierten. Seit drei Jahren werden sie nun auf verschiedene Gefängnisse verteilt. Die Häftlinge werden klassifiziert - in Rädelsführer, Mitläufer und Gefährdete -, voneinander getrennt und entsprechend beobachtet.

Nicht nur Psychologen und Imame arbeiten an der Deradikalisierung der inhaftierten Islamisten, auch andere Häftlinge sollen ihre Mitinsassen sensibilisieren - ob beim Mittagessen oder beim Hofspaziergang. Bis zu 22.000 Häftlinge nehmen laut den marokkanischen Behörden jährlich an diesem Projekt teil. Ganz neu sei auch ein Programm zur „Wiederversöhnung“, bei dem geläuterte Terror-Führer, die sich dann gegen Gewalt einsetzen, vom König begnadigt werden.

„Ich bin sehr interessiert daran, dass wir von Marokko lernen“, meinte Brandstetter. Er wolle sich nicht allein auf jene Programme verlassen, die man in Österreich bereits gestartet habe. Ausgehend von einem vereinbarten allgemeinen Austausch zwischen der österreichischen und der marokkanischen Justiz schlug der Minister im Rahmen seines Besuchs im Gefängnis „Al Arjat 1“ deshalb auch eine Partnerschaft zwischen Haftanstalten zu Deradikalisierungs-Strategien vor.

Das im Frühjahr 2016 eröffnete „Al Arjat 1“ ist das erste von vier neuen Gefängnissen, die als Ersatz für die riesige Haftanstalt von Sale dienen sollen. 1.200 Insassen hätten hier Platz, zur Zeit sitzen rund 600 ein, 200 davon wurden im Rahmen der Anti-Terrorismus-Gesetze verurteilt. Während sich im alten Gefängnis 60 bis 70 Häftlinge eine Zelle teilen müssen, sind es im neuen maximal acht pro Zelle. Überhaupt wurde „Al Arjat 1“ beim Besuch der österreichischen Delegation als Vorzeige-Gefängnis präsentiert. Entgegen den ursprünglichen Ankündigungen gewährten die Behörden denn auch den mitgereisten österreichischen Journalisten Zugang - zumindest zu Teilen wie den Ausbildungskursen oder der Krankenstation.

„Sie werden keinen Österreicher finden, der in so vielen Gefängnissen war wie ich“, feixte der Minister zum Leidwesen der Dolmetscherin, die ihre Mühe hatte, dass der Schmäh auch beim Anstaltsleiter ankommt. Das Gefängnis erfülle alle Standards, die für eine Überstellung marokkanischer Strafhäftlinge in ihre Heimat notwendig seien, befand Brandstetter nach der Führung vor Journalisten. Die Regierungen streben ja ein entsprechendes Rechtshilfeabkommen an. Skeptiker, die meinten, es gebe in Marokko überhaupt keine geeigneten Anstalten dafür, „haben sicher nicht recht“, lautete das Fazit des Ministers.

Von einer solchen Vereinbarung zum Häftlings-Austausch profitieren könnte auch der einzige österreichische Häftling in Marokko. Er wurde wegen eines Drogendelikts zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt und sitzt in eben jener Anstalt ein. Brandstetter führte mit dem Österreicher auf der Krankenstation ein längeres Gespräch und zeigte sich danach „bestärkt“, ein entsprechendes Abkommen zustande bringen zu wollen.