Recherchen: Assad-Regime hinter weiterem mit Giftgasangriff
Damaskus/Den Haag (APA/dpa) - Bilder und Zeugenaussagen legen nahe, dass die syrische Luftwaffe kurz vor dem verheerenden Giftgasangriff auf...
Damaskus/Den Haag (APA/dpa) - Bilder und Zeugenaussagen legen nahe, dass die syrische Luftwaffe kurz vor dem verheerenden Giftgasangriff auf die Stadt Khan Sheikhoun in einem Nachbarort ebenfalls Sarin-Gas eingesetzt hat. Das geht aus am Donnerstag veröffentlichten Recherchen der Internetseite Bellingcat hervor, an denen die dpa beteiligt war.
Demnach wurde am 30. März dieses Jahres südlich der von Rebellen kontrollierten Stadt Al-Lataminah mindestens eine Bombe mit Sarin-Gas abgeworfen. Die Recherchen ergaben Parallelen zu dem Angriff auf Khan Sheikhoun fünf Tage später, bei dem mehr als 80 Menschen starben. Laut der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) wurde dort ebenfalls Sarin eingesetzt. Ein Bericht der UNO-Menschenrechtskommission machte dafür im September wie zuvor Regierungen im Westen die syrische Luftwaffe verantwortlich. US-Präsident Donald Trump ließ kurz nach dem Angriff die syrische Luftwaffenbasis Shairat bombardieren.
Lokalen Quellen zufolge wurden in Al-Lataminah südlich von Khan Sheikhoun Dutzende Menschen verletzt. Die von Regierungsgegnern kontrollierte Gesundheitsbehörde der Provinz Idlib meldete mehr als 78 Opfer.
Auch die OPCW hatte von einem Sarin-Angriff auf Al-Lataminah gesprochen. Die Ermittler der UNO-Menschenrechtskommission berichteten im September ebenfalls über einen Einsatz von Giftgas am 30. März in Al-Lataminah und sahen „glaubhafte Anhaltspunkte“ für die Schlussfolgerung, dass dafür die syrische Luftwaffe verantwortlich war.
Bellingcat hat für die Recherchen Videos vom Einschlagsort und andere Aufnahmen sowie Zeugenaussagen ausgewertet. Demnach schlug eine der beiden Giftgasbomben gegen 6.00 Uhr in der Früh des 30. März in einem unbewohnten Gebiet rund 500 Meter südlich von Al-Lataminah ein.
Ärzte und Augenzeugen berichteten danach von Symptomen, die typisch für Sarin-Opfer sind, darunter Atemnot, Muskelkrämpfe, Schaum vor dem Mund und sogenannte Stecknadelpupillen. Opfer Anwar Rahmoun sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa), er sei nach dem Angriff zwölf Stunden ohnmächtig gewesen: „Als ich aufwachte, fühlte es sich an, als brenne ein Feuer in meinem Kopf.“
Unter den Opfern waren demnach Zivilisten und Rebellenkämpfer. Opfer Rahmoun sagte der dpa, Landarbeiter seien in dem Gebiet auf Feldern mit Kreuzkümmelpflanzen im Einsatz gewesen. Allerdings hatte es in dem Gebiet schon zuvor mehrfach Luftangriffe gegeben. So bombardierten hier russische Jets nach Erkenntnissen von Bellingcat vor zwei Jahren Untergrundstellungen von Rebellen. Solche könnten auch am 30. März Ziel des Angriffs mit Sarin gewesen sein. Rebellen waren in den Tagen zuvor gegen Regierungstruppen vorgerückt.
Die Recherchen ergaben Parallelen zu dem Angriff auf Khan Sheikhoun. Zeugen berichteten, die Bombe mit Sarin-Gas sei aus einem Jet des Typs Suchoi Su-22 abgeworfen worden, wobei es dafür keinen unabhängigen Beleg gibt. Die Ermittler des UNO-Menschenrechtsrates gehen in ihrem Bericht davon aus, dass ein Flugzeug dieses Typs auch für den Angriff in Khan Sheikhoun verantwortlich war.
Auf Videobildern aus Al-Lataminah ist zudem zu erkennen, dass dort Munitionsreste gefunden wurden, die in Form und Größe identisch sind mit Funden aus Khan Sheikhoun. An beiden Orten ist zudem eine ähnliche dunkle Verschmutzung am Boden zu sehen. Diese physischen Belege wiesen darauf hin, dass bei beiden Angriffen dieselbe Art von Munition eingesetzt worden sei, schlussfolgert Bellingcat.
Syrien hatte wie sein Verbündeter Russland jede Verantwortung für den Angriff auf Khan Sheikhoun zurückgewiesen. Beide Länder behaupten, dort sei am 4. April ein Giftgasdepot der Rebellen getroffen worden. Die UNO-Menschenrechtskommission wies diese Version jedoch zurück. Auch über Soziale Medien verbreitete Aufnahmen aus Khan Sheikhoun und Zeugenaussagen widersprechen dieser Darstellung.
Das gemeinsame Untersuchungsteam der Vereinten Nationen und der OPCW (JIM) will dem UNO-Sicherheitsrat an diesem Donnerstag einen Bericht zu Chemiewaffenangriffen in Syrien und den dafür Verantwortlichen vorlegen. Russland hatte am Dienstag eine Resolution blockiert, die das Mandat des Untersuchungsteams verlängern sollte.