Mit eigener Sprache und starkem Selbstbewusstsein gegen Madrid
Barcelona/Madrid (APA/AFP) - Die Katalanen haben ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein und eine eigene Sprache. Doch es gibt viele Facetten im ...
Barcelona/Madrid (APA/AFP) - Die Katalanen haben ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein und eine eigene Sprache. Doch es gibt viele Facetten im Bestreben nach Unabhängigkeit von der spanischen Zentralregierung in Madrid:
TOURISMUS, OLYMPISCHE SPIELE UND WIRTSCHAFTLICHE KRAFT
Das Selbstbewusstsein der Katalanen basiert auf der wirtschaftlichen Kraft der Region im Nordosten Spaniens. Katalonien ist so groß wie Belgien, umfasst nur 6,3 Prozent der Landesfläche Spaniens, stellt aber 16 Prozent der Bevölkerung und erwirtschaftet ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Auf Touristen übt Katalonien eine große Anziehungskraft aus. 22,5 Prozent aller Spanien-Touristen kommen in die Region. Die Anziehungskraft wird befördert durch große Künstlernamen wie die aus Katalonien stammenden modernen Maler Salvador Dali und Joan Miro sowie den Architekten Antoni Gaudi, Schöpfer der monumentalen Basilika Sagrada Familia in Barcelona, an der seit 1882 gebaut wird.
Der weltweite Ruhm Barcelonas wurde auch durch die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele im Jahr 1992 gefördert. Barcelona ist die einzige spanische Stadt, die jemals Olympia-Gastgeber war. Und der FC Barcelona sorgt dafür, dass der Name der Stadt bei Fußballfans stets für Ehrfurcht sorgt.
ABLEHNUNG DER SPANISCHEN ZENTRALGEWALT
Die Ablehnung der spanischen Zentralgewalt hat in Katalonien eine lange Tradition. Ihren Höhepunkt fand sie im Spanischen Bürgerkrieg (1936-39), als Katalonien sich zur wichtigsten Bastion gegen den heraufziehenden Faschismus unter Francisco Franco entwickelte.
Während der Franco-Diktatur (1939-75) wurden Katalonien dann sämtliche Sonderrechte aberkannt, das Katalanische verlor den Status einer Amtssprache und wurde aus dem öffentlichen Leben verdrängt.
Nach der Diktatur erkämpften sich die Katalanen den Status einer „autonomen historischen Gemeinschaft“. Katalonien bekam weitgehende Autonomierechte im Bildungs- und Gesundheitssystem, zudem eine eigene Polizeieinheit, die Mossos d‘Esquadra.
KATALANISCHER NATIONALISMUS
Der katalanische Nationalismus hat seit 2006 an Kraft gewonnen. Als das spanische Parlament Katalonien am 30. März 2006 weitgehende Vollmachten in der Steuergesetzgebung und im Justizwesen einräumte und die Region zudem als „Nation“ anerkannte, wähnten sich viele Nationalisten bereits am Ziel.
Doch die konservative Volkspartei (PP) des heutigen spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy klagte gegen den Autonomiestatus. Im Jahr 2010 entschied das spanische Verfassungsgericht, die Beschreibung Kataloniens als „Nation“ habe keine Gesetzeskraft, eine Bevorzugung des Katalanischen in Kommunalverwaltungen sei nicht zulässig.
Im Juli 2010 setzten Massenkundgebungen in Barcelona ein, bei denen oft Hunderttausende Slogans sangen wie „Wir sind eine Nation!“ und „Wir entscheiden!“ Alljährlich finden solche Kundgebungen am katalanischen „Nationalfeiertag“ Diada, dem 11. September, statt. Sie erfolgen im Gedenken an den 11. September 1714, als spanische und französische Truppen während des Spanischen Erbfolgekrieges Barcelona eroberten.
Bei der Regionalwahl im September 2015 gewann eine Koalition aus linken und rechten Nationalisten („Junts pel Si“, „Gemeinsam für das Ja“) die absolute Mehrheit. Im November 2015 stimmte diese Koalition dafür, die Unabhängigkeit von Spanien anzustreben.
Im Januar 2016 trat der entschiedene Unabhängigkeitsbefürworter Carles Puigdemont an die Spitze der Regionalregierung. Gegen den Widerstand der spanischen Zentralregierung ließ er am 1. Oktober ein Referendum über die Unabhängigkeit von Spanien abhalten. Der Schritt löste eine politische Krise in Spanien aus.
In dem Referendum stimmten 90 Prozent der Teilnehmer für eine Unabhängigkeit Kataloniens. Die Wahlbeteiligung lag allerdings bei lediglich 43 Prozent, viele Gegner einer Unabhängigkeit boykottierten die Abstimmung.