Oktoberrevolution - Leo Trotzki: Revolutionär aus dem Cafe Central
Wien (APA) - Ohne ihn wäre die Oktoberrevolution vielleicht nur eine Fußnote der Geschichte gewesen. Leo Trotzki war nicht nur maßgeblich am...
Wien (APA) - Ohne ihn wäre die Oktoberrevolution vielleicht nur eine Fußnote der Geschichte gewesen. Leo Trotzki war nicht nur maßgeblich am militärischen Erfolg der Revolution beteiligt, als Chef der Roten Armee sicherte er dem Regime das Überleben im Bürgerkrieg. Doch der Idealist, der jahrelang im Wiener Cafe Central verkehrt hatte, wurde bald schon zum Staatsfeind, landete im Exil und wurde dort ermordet.
So war der Name Trotzkis in der Sowjetunion jahrzehntelang tabu, sein Konterfei wurde aus Fotos retuschiert. Mit seinem Pochen auf einer „Weltrevolution“ war er dem neuen Machthaber Josef Stalin in die Quere gekommen, der ihn im Jahr 1925 entmachtete, 1927 aus der Partei ausschloss und 1929 des Landes verwies. Weltweit fragen sich viele Linke immer noch, ob der „Realsozialismus“ größere Erfolgschancen gehabt hätte, wenn sich Trotzki als Nachfolger des im Jahr 1924 verstorbenen Revolutionsführers Wladimir Iljitsch Lenin durchgesetzt hätte. Der Bann gegen Trotzki endete erst unter KP-Chef Michail Gorbatschow, der ihn im Jahr 1987 in einer Enzyklopädie zum 70. Jahrestag der Oktoberrevolution erwähnen ließ.
Am 7. November 1879 im südukrainischen Janowka geboren, schloss sich Lew Davidowitsch Bronstein schon in jungen Jahren der Arbeiterbewegung an. Den Namen Trotzki nahm er im Jahr 1901 an. Nach einer Verbannung in Sibirien verbrachte er viele Jahre im Ausland, von 1907 bis 1914 lebte er in Wien. Rückblickend nannte er seine Wiener Jahre die „theoretische Wegbereitung einer zweiten russischen Revolution“. Als Kämpfer fiel er damals nicht gerade auf, wie der legendäre Kommentar eines österreichischen Regierungsbeamten zur Oktoberrevolution zeigte: „Wer soll denn diese Revolution machen? Vielleicht der Herr Trotzki aus dem Cafe Central?“, sagte er mit Blick auf jenes Kaffeehaus in der Wiener Innenstadt, in dem sich Trotzki gerne aufhielt.
Dabei wird übersehen, dass Trotzki in seinen Wiener Jahren auch militärische Erfahrungen sammelte, indem er als Kriegsberichterstatter für die russische Zeitungen auf dem Balkan tätig war. In Wien traf Trotzki im Jahr 1913 auch erstmals seinen späteren Erzfeind Josef Stalin. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs ging er in die Schweiz, hielt es dort aber anders als Lenin nicht lange aus. Weil er in Frankreich gegen den Krieg agitierte, wurde er nach Spanien und in die USA abgeschoben, ehe er nach der Februarrevolution nach Russland zurückkehrte.
Lenin hatte Trotzki bereits im Jahr 1902 in London kennengelernt. Das Verhältnis der beiden war lange Zeit angespannt. Trotzki hatte sich nach der Spaltung der russischen Sozialdemokraten zunächst den Menschewiki angeschlossen und den Bolschewiki-Führer kritisiert. Im Ersten Weltkrieg kam es zu einer Annäherung der beiden, den Bolschewiki trat Trotzki aber erst nach dem gescheiterten Juliaufstand 1917 bei. Im September 1917 wurde Trotzki zum Chef des Petrograder Sowjets gewählt und stattete diesen mit eigenen paramilitärischen Einheiten aus, was die Oktoberrevolution erst möglich machte.
Nach der Revolution übernahm Trotzki die Funktion eines „Volkskommissars“ für Auswärtige Angelegenheiten und schloss als solcher im März 1918 den Frieden von Brest-Litowsk, durch den die neuen Machthaber mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung des Russischen Reiches verloren. In der Folge hatte Trotzki alle Hände damit zu tun, das militärische Überleben des von zahlreichen inneren Aufständen bedrohten Regimes zu sichern. Er gründete die Rote Armee, die sich nicht nur im Bürgerkrieg gegen die „Weißen“ durchsetzte, sondern im Jahr 1921 einen Aufstand enttäuschter Matrosen auf der Garnisonsinsel Kronstadt blutig niederschlug.
Trotzkis Einsatz für den Erfolg der Revolution blieb unbedankt. Nach Lenins Tod im Jahr 1924 geriet er mit dem neuen starken Mann Stalin aneinander. Während dieser sich auf den Aufbau des Kommunismus in der Sowjetunion konzentrierte, pochte Trotzki auf eine „Weltrevolution“. Stalin ließ ihn politisch kaltstellen, verbannen und schließlich sogar ausweisen. Schon im Jahr 1931 soll der Sowjetführer auch den Befehl gegeben haben, Trotzki zu ermorden. Stalin fürchtete, dass Trotzki die Sowjetunion mit dem Aufbau einer internationalen kommunistischen Bewegung von außen destabilisieren könnte.
Zunächst musste Trotzki aber schauen, dass er irgendwo unterkommen konnte. In der Türkei, Frankreich und Norwegen wurde er nur kurz geduldet. Erst der mexikanische Präsident Lazaro Cardenas hatte er ein Herz für ihn und ließ ihn im Jahr 1937 ins Land. Dort wurde Trotzki mit seiner Frau beim revolutionär gesinnten Maler Diego Rivera aufgenommen. Die beiden gerieten aber über Kreuz, nicht nur politisch: Trotzki soll nämlich auch eine Affäre mit Riveras Frau, der Malerin Frida Kahlo, gehabt haben.
Im Jahr 1939 zog Trotzki in ein eigenes Anwesen in eine Vorstadt von Mexiko City, züchtete dort Kaninchen und sammelte Kakteen. Stalin sorgte aber dafür, dass die Idylle in der Calle Viena (Wiener Gasse) nur kurz währte. Ein nächtlicher Überfall im Mai 1940 schlug noch fehl; das um sich schießende Kommando traf ihn nicht. Obwohl das Anwesen in der Folge zu einer Festung ausgebaut wurde, gelang vier Monate später ein weiterer Mordanschlag. Am 20. August ließ der arglose Revolutionär den Geheimagenten Ramon Mercader zu sich, der sich bei ihm eingeschmeichelt hatte. Als er Trotzki einen Artikel zur Durchsicht vorlegte, schlug Mercader mit einem Eispickel zu. Den schweren Kopfverletzunger erlag Trotzki am darauffolgenden Tag.