Puigdemont in Belgien gegen Auflagen auf freiem Fuß
Die Ausreise wurde dem ehem. Regierungschef Kataloniens vorerst untersagt. Puigdemont und seine Mitstreiter müssen binnen 15 Tagen wieder vor Gericht erscheinen. Unabhängigkeitsbefürworter rief er zur Einheit auf.
Barcelona/Madrid/Brüssel – Ein Gericht in Belgien hat den früheren katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont und vier seiner Minister nach einer Anhörung im Auslieferungsverfahren gegen Bedingungen in der Nacht auf Montag auf freien Fuß gesetzt. Demnach dürfen die Betroffenen das Land vorerst nicht verlassen und müssen eine feste Wohnadresse haben. Über das weitere Verfahren werde binnen der nächsten 15 Tage befunden.
60 Tage Frist für Auslieferung
Das teilte die Justizbehörde nach der Entscheidung des Untersuchungsrichters mit. Das Verfahren in Belgien könnte sich aber auch noch weiter in die Länge ziehen: Nach den EU-Regeln hat die belgische Justiz insgesamt 60 Tage Zeit, über die Auslieferung zu entscheiden – lediglich in Ausnahmefällen kann die Frist um weitere 30 Tage verlängert werden. In der Regel wird ein europäischer Haftbefehl vollstreckt. Es kann aber auch Ausnahmen geben.
Der von Madrid entmachtete Regionalpräsident und die vier Minister hatten sich Sonntag früh den belgischen Behörden gestellt. Spanien hatte in der Vorwoche einen Europäischen Haftbefehl gegen die Separatisten beantragt. Ihnen wird in Zusammenhang mit der Unabhängigkeitserklärung Kataloniens Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen. Allein für die Rebellion drohen ihnen in Spanien bis zu 30 Jahre Haft.
Neuwahlen am 21. Dezember
Grund dafür ist die einseitige Unabhängigkeitserklärung, die das katalanische Parlament am Freitag vor einer Woche beschlossen hatte. Die Zentralregierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte die katalanische Regierung daraufhin abgesetzt. Die wirtschaftsstarke Region im Nordosten Spaniens steht nun unter Zwangsverwaltung aus Madrid. Für den 21. Dezember setzte Rajoy Neuwahlen an.
Der als katalanistischer Hardliner geltende Regionalpolitiker war bereits vor der Anklageerhebung nach Brüssel ausgereist. Der 54-Jährige hatte in den vergangenen Tagen klargemacht, dass er sich der belgischen Justiz stellen werde, nicht aber der spanischen, weil er diese als politisiert ansieht. Acht frühere Regierungsmitglieder sind von der spanischen Justiz bereits in Untersuchungshaft genommen worden.
Seperatisten forderten Freilassung
In Barcelona und anderen katalanischen Gemeinden haben am Sonntag Tausende Menschen mit einer Plakat-Aktion Freiheit für die ehemaligen Mitglieder der Regionalregierung sowie für die Vorsitzenden der beiden separatistischen Bürgerbewegungen ANC und Omnium Cultural verlangt. Nach der Inhaftierung von den ANC- und Omnium-Vorsitzenden Jordi Sanchez und Jordi Cuixart sitzen sieben der entmachten Mitglieder der katalanischen Regionalregierung wegen der Durchführung des illegalen Unabhängigkeitsreferendums am 1. Oktober und der Ausrufung der unabhängigen katalanischen Republik seit Donnerstagabend in Untersuchungshaft.
Puigdemont rief die Unabhängigkeitsbefürworter zur Einheit bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Katalonien am 21. Dezember aufgerufen. Über Twitter verwies er am Samstag von Brüssel aus auf eine Internetpetition zur Bildung einer Einheitsliste. Einer aktuellen Umfrage zufolge könnten die Separatisten ihre absolute Mehrheit verlieren.
Das geht aus einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage für die katalanische Zeitung „La Vanguardia“ hervor. Laut der Umfrage können die Linksrepublikaner (ERC), die gemäßigten Nationalisten (PDeCAT) und die linksradikalen Systemgegner der CUP nur auf 66 Parlamentssitze hoffen. Damit würden ihnen zwei Sitze zur absoluten Mehrheit fehlen, nachdem sie bisher 72 Sitze hatten. Sollte sich diese Prognose bewahrheiten, könnte der separatistische Parteienblock in Katalonien nur noch auf 46 Prozent der Bevölkerung zählen, zwei Prozentpunkte weniger als zuvor.
Wirtschaftlicher Abstieg und fehlende Unterstützung brachte Zweifel
Der Einbruch hätte noch stärker ausfallen können. Eine Mehrheit der Katalanen sprach sich zuvor gegen die Durchführung des illegalen Referendums aus. Der massenhafte Abzug von Unternehmen aus Katalonien und die fehlende internationale Unterstützung nach der Ausrufung der Unabhängigkeit lassen viele Katalanen am einseitigen Loslösungsversuch zweifeln.
Doch zeigt die Umfrage, die zwischen dem 30. Oktober und dem 3. November durchgeführt wurde, auch klar, dass eine Mehrheit der Katalanen sich gegen die Zwangsentmachtung der Regionalregierung (56 Prozent) und gegen die Inhaftierung und juristische Verfolgung der abgesetzten Regierungsmitglieder, inklusive Regierungschef Carles Puigdemont, wegen Rebellion (60 Prozent) ausspricht. Knapp 70 Prozent der Befragten äußerten in der Umfrage die Ansicht, dass die Untersuchungshaft für die acht Ex-Regierungsmitglieder, darunter ERC-Chef Oriol Junqueras, den separatistischen Parteien Auftrieb geben werde. (APA/dpa/AFP/Reuters)