1918/2018 - Nicht nur Österreich feiert einen runden Geburtstag
Wien (APA) - Nicht nur die Republik Österreich feiert nächstes Jahr seinen 100er: Der Zusammenbruch der großen Reiche im Jahr 1918 hat viele...
Wien (APA) - Nicht nur die Republik Österreich feiert nächstes Jahr seinen 100er: Der Zusammenbruch der großen Reiche im Jahr 1918 hat viele Staaten in Europa neu - oder wieder - entstehen lassen, darunter die Tschechoslowakei und die Baltenstaaten Estland, Lettland und Litauen. Weltweit wird des 100. Jahrestages des Endes des Ersten Weltkriegs gedacht, ganz besonders in Großbritannien und Frankreich.
Österreich werde sein Republiksjubiläum „in engem und konstruktivem Kontakt“ mit seinen Nachbarstaaten begehen, weil der Herbst 1918 für diese Staaten auch große Bedeutung habe, betonte Altbundespräsident Heinz Fischer im APA-Gespräch. Mit Tschechien sei etwa die Herausgabe eines gemeinsamen Geschichtsbuchs geplant, berichtete der Koordinator des Republiksjubiläums. Im Kärntner Grenzort Arnoldstein soll es im Sommer ein gemeinsames Konzert von Musikkapellen aus Österreich, Italien und Slowenien geben. „Die Wunden, die damals geschlagen wurden, sind weitestgehend verheilt“, betonte Fischer mit Blick auf die dramatische Teilung zwischen Sieger- und Verlierermächten nach dem Ersten Weltkrieg.
Tschechen und Slowaken werden kommendes Jahr einen Staat hochleben lassen, den es gar nicht mehr gibt: Am 28. Oktober 1918 markierte der Umsturz in Prag die Gründung der Tschechoslowakei. Dieser Tag wird seit dem Zerfall der Tschechoslowakei im Jahr 1993 nur noch in Tschechien als Nationalfeiertag begangen, doch zum 100er wollen Prag und Bratislava wieder demonstrativ gemeinsam feiern. Zur großen Gedenkfeier in Prag sollen Ende Oktober auch Spitzenvertreter jener Staaten (USA, Großbritannien und Frankreich) anreisen, die im Jahr 1918 der Tschechoslowakei Pate gestanden waren. Geplant sind auch gemeinsame Regierungs- und Parlamentssitzungen.
Gemeinsam werden Tschechen und Slowaken auch des 50. Jahrestags des Prager Frühlings gedenken, der am 5. Jänner mit der Wahl des slowakischen Reformkommunisten Alexander Dubcek zum KP-Chef begonnen hatte. Sein im April 1968 verkündeter „demokratischer Sozialismus“, der innerhalb von zehn Jahren zu freien Wahlen führen sollte, hatte in der Nacht vom 20. auf den 21. August mit einer Militärintervention des Warschauer Pakts ein jähes Ende gefunden.
Das jüngste Jubiläum wird hingegen vor allem in der Slowakei gefeiert. Die am 1. Jänner 1993 vollzogene friedliche Teilung der Tschechoslowakei wird von vielen Tschechen als Verlust empfunden. Die Slowaken wollen das erste Vierteljahrhundert ihres eigenen Staates zu Jahresbeginn mit Festsitzungen von Regierung und Parlament feiern.
Große Feiern gibt es auch in den drei baltischen Staaten, die infolge des Zusammenbruchs des Zarenreiches unabhängig wurden. Litauen sagte sich am 16. Februar 1918 von Russland los, Estland am 23. Februar, Lettland am 18. November. Die Baltenstaaten gedenken ihrer Unabhängigkeit, die sie infolge des Hitler-Stalin-Pakts 1939 für fünf Jahrzehnte verloren, mit besonderem Engagement. In Estland soll jeder Ort einen Tag lang eine „Party“ zum 100er ausrichten, während in Lettland unter dem Schlagwort „Eine Nationaltracht für jeden“ traditionelle Kleidungsstücke popularisiert werden sollen. In Litauen ist für den Unabhängigkeitstag eine „das ganze Land umfassende Massenfeier“ geplant. Die drei Länder feiern übrigens schon heuer, in Kooperation mit dem benachbarten Finnland, das sich 1917 von Russland lossagte.
Vor dem Hintergrund des Konflikts mit Russland durchaus heikel dürfte das Gedenken in der Ukraine ausfallen. Am 22. Jänner jährt sich nämlich die Ausrufung der kurzlebigen Ukrainischen Volksrepublik (UNR) zum 100. Mal, die in der Endphase des Ersten Weltkrieges vom Deutschen Reich und Österreich-Ungarn gestützt worden war, um Russland zu schwächen, in dem kurz zuvor die Bolschewiki die Macht erobert hatten.
Zwar wurde auch Polen nach dem Ersten Weltkrieg als unabhängiger Staat wiedererrichtet, große Feiern dürfte es aber nicht geben. In Ungarn, das den Verlust von zwei Drittel „seines“ Territoriums nach dem Weltkrieg immer noch nicht verwunden hat, gibt es ebenfalls nichts zu feiern. In Südosteuropa steht der 100er ebenfalls nicht im Fokus, weil der Erste Weltkrieg dort kaum staatsbildend war, mit der Ausnahme des mittlerweile untergegangenen Jugoslawien. Einen runden Geburtstag feiert allerdings der jüngste Staat des Kontinents, der Kosovo: Am 17. Februar wird es zehn Jahre her sein, dass sich die südserbische Provinz einseitig von Belgrad losgesagt hat.
Die meisten europäischen Staaten gedenken kommendes Jahr vor allem des Endes des Ersten Weltkriegs. Dazu sind zahlreiche, auch länderübergreifende Gedenkfeiern geplant, ähnlich wie anlässlich des 100. Jahrestags des Kriegsausbruchs vor vier Jahren. So reiste der damalige Bundespräsident Fischer Ende Juni 2014 zu einem Gedenkkonzert der Wiener Philharmoniker nach Sarajevo, wo das Unglück mit der Ermordung von Thronfolger Franz Ferdinand seinen Lauf genommen hatte. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union gedachten parallel dazu im belgischen Ypern, einem der blutigsten Schlachtfelder des Krieges, des schändlichen Versagens ihrer politischen Vorgänger.
Den 100. Jahrestag des Waffenstillstands zwischen den führenden Kriegsmächten im November 2018 könnten die EU-Chefs zum Anlass nehmen, einen ähnlichen symbolischen Akt zu setzen. Fischer kann dieser Idee viel abgewinnen, wie er im APA-Interview sagte. Wien könnte dabei einen wichtiges Wort mitreden, führt es doch im zweiten Halbjahr 2018 den EU-Ratsvorsitz.
Pikanterweise fällt der Jahrestag des Kriegsendes in jene Phase, in der das Feilschen um den Brexit seinen Höhepunkt erreichen könnte. Der „Remembrance Day“, der in Großbritannien in Erinnerung an die Toten aller Kriege alljährlich begangen wird, dürfte kommendes Jahr wohl eine Spur größer ausfallen. Gut möglich, dass dann auch US-Präsident Donald Trump seine heuer ins Wasser gefallene London-Reise nachholen wird. Von den EU-Partnern stärker beachtet wird aber wohl die Feier im nordfranzösischen Compiegne werden, wo am 11. November 1918 der Waffenstillstand zwischen den Alliierten und dem Deutschen Reich unterzeichnet worden war.
(Grafik Nr. 1122-17)