1918/2018 - Die Folgen des Ersten Weltkriegs

Wien (APA) - Das Ende des Ersten Weltkrieg jährt sich 2018 zum 100. Mal. Der Krieg brachte epochale Veränderungen für Europa und die Welt. „...

Wien (APA) - Das Ende des Ersten Weltkrieg jährt sich 2018 zum 100. Mal. Der Krieg brachte epochale Veränderungen für Europa und die Welt. „Die Menschheit hat überlebt. Doch das großartige Bauwerk der Zivilisation des 19. Jahrhundert brach in den Flammen des Weltkriegs zusammen, als seine Säulen einstürzten“, schreibt der Historiker Eric Hobsbawm in seinem Buch „Zeitalter der Extreme“. Ein Überblick:

ENDE DER KAISERREICHE: Die vier Monarchien Deutschland, Österreich-Ungarn, Russland und das Osmanische Reich wurden ein Opfer des Ersten Weltkrieges. Der russische Zar wurde bereits Anfang 1917 gestürzt, der deutsche und österreichische Kaiser wurden bei Kriegsende im November 1918 zum Abdanken gezwungen. Die Republik Türkei trat im Jahr 1923 an die Stelle des von einem Sultan geführten Osmanischen Reiches.

NEUE STAATEN UND GRENZEN: Neben den sechs neutralen Staaten behielt auf dem europäischen Kontinent nur Portugal seine Vorkriegsgrenzen. Wegen des Zerfalls der Donaumonarchie und des Zarenreiches etablierten sich Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Polen, die Tschechoslowakei und Jugoslawien als neue Staaten. Auch Ungarn und Österreich erhielten ihre heute noch gültigen Grenzen. Deutschland verlor rund ein Zehntel seines Territoriums, Frankreich gewann das Elsass hinzu, Italien vergrößerte sich auf Kosten Österreich-Ungarns. Das im Krieg geschwächte Großbritannien musste Irland ziehen lassen, auch die Übersee-Herrschaftsgebiete wie Australien erlangten ihre volle Unabhängigkeit.

FRAUENRECHTE: Während des Krieges als Arbeitskräfte in den Rüstungsbetrieben benötigt, ließen sich die Frauen nicht mehr so leicht zurück an den Herd bringen. Vielmehr verschafften sie sich in zahlreichen Staaten auch politisch Gehör. Die Einführung des Frauenwahlrechts quer durch Europa war wohl die nachhaltigste Veränderung des politischen Lebens. Zwischen 1918 und 1922 wurde unter anderem in Deutschland, Österreich, Großbritannien, Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn, den baltischen Staaten und Albanien, aber auch in Irland, den Niederlanden, Luxemburg und Schweden sowie den USA den Frauen das Stimmrecht erteilt.

NATIONALSOZIALISMUS UND FASCHISMUS: Die mit den Pariser Vororteverträgen begründete neue politische Ordnung Europas erwies sich als wenig stabil. Sie war nämlich geprägt von dem Misstrauen der Sieger gegenüber den Besiegten und ging einher mit der Errichtung hoher Zollgrenzen, wodurch der wirtschaftliche Wiederaufbau nach dem verheerenden Krieg behindert wurde. In Italien kam es bereits im Jahr 1922 zur Machtergreifung durch die Faschisten von Benito Mussolini, mit tatkräftiger Unterstützung vieler Veteranen, die sich um die Früchte des Sieges betrogen fühlten. Die Empörung über die harten Bedingungen des Friedensdiktats von Versailles begünstigte in Deutschland den Aufstieg der Nationalsozialisten, die nach ihrem Sieg bei der Reichstagswahl 1933 nach der Macht griffen. Fast alle Staaten Mittel-, Osteuropas und Südeuropas gerieten in den 1920er und 1930er Jahre in autoritäre Fahrwasser - darunter auch Österreich.

KOMMUNISMUS: Ohne den Ersten Weltkrieg hätte es vermutlich keine Oktoberrevolution in Russland gegeben, die zur Machtübernahme der Bolschewiken führte. Ihr Anführer Wladimir Iljitsch Uljanow (Lenin) war nämlich mit einem deutschen Zug aus dem Schweizer Exil nach St. Petersburg gebracht worden, weil Berlin darauf hoffte, dass die Bolschewiken die Kriegsbeteiligung Russlands beenden würden. Dieses Kalkül ging auf. Die neuen Machthaber gründeten im Jahr 1922 die Sowjetunion und dehnten ihren Einflussbereich nach dem Sieg im Zweiten Weltkrieg bis nach Mitteleuropa aus. Erst Ende der 1980er Jahre begann der kommunistische Block zu zerfallen.

AUFSTIEG DER USA: Mit ihrem Kriegseintritt im Jahr 1917 griffen die Vereinigten Staaten erstmals seit ihrer Gründung in einen bewaffneten Konflikt auf dem europäischen Kontinent ein. Auch wenn sich in den 1920er Jahren wieder die isolationistische politische Strömung durchsetzte, begründeten die USA damit ihren heutigen Status als „Weltpolizei“.

EUROPÄISCHE EINIGUNG UND VEREINTE NATIONEN: Das Grauen des Krieges war Impulsgeber für globale und europäische Einigungsprozesse. So wurde im Jahr 1920 in Genf der Völkerbund gegründet, der den Frieden durch ein System der kollektiven Sicherheit, Abrüstung und Streitschlichtungsmechanismen bewahren konnte. Der Vorläufer der Vereinten Nationen krankte jedoch vor allem daran, dass ihm die USA nicht beitraten. Die europäische Integration hat ebenfalls ihre Wurzeln in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. In der Wiener Hofburg wurde im Jahr 1922 die Paneuropa-Union ins Leben gerufen, die sich die Schaffung einer Föderation der europäischen Staaten zum Ziel setzte. Verwirklicht wurde dies freilich auch erst nach dem Zweiten Weltkrieg.

NAHOST-KONFLIKT: Durch den Zerfall des Osmanischen Reiches entstanden neue Konfliktherde, die die internationale Politik auch heute noch beschäftigen. Großbritannien, das sich bereits während des Krieges in der „Balfour-Deklaration“ mit der Errichtung eines jüdischen Staates in Palästina einverstanden erklärt hatte, erhielt dieses zur Verwaltung. In der Folge begannen auch die Konflikte zwischen ortsansässigen Arabern und jüdischen Einwanderern. Auch die Bürgerkriege in Syrien und im Irak sind eine Folge des Ersten Weltkriegs. Die Siegermächte Großbritannien und Frankreich teilten sich die südöstlichen Gebiete des zusammengebrochenen Osmanischen Reiches willkürlich auf, was noch hundert Jahre später zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Volks- und Religionsgruppen führen sollte.

(Grafik Nr. 1122-17)