1938/2018 - Eine Chronologie der „Anschluss“-Ereignisse
Wien (APA) - Als am 12. März 1938 die deutsche Armee die österreichische Grenze überschreitet, ohne auf militärischen Widerstand zu stoßen, ...
Wien (APA) - Als am 12. März 1938 die deutsche Armee die österreichische Grenze überschreitet, ohne auf militärischen Widerstand zu stoßen, ist der „Anschluss“ praktisch schon vollzogen. Nach der umjubelten Rede Hitlers am Heldenplatz ist die Volksabstimmung am 10. April 1938, bei der sich 99,7 Prozent der Österreicher für den „Anschluss“ aussprechen, nur noch Formalität. Ein Überblick über die Ereignisse.
12. Februar 1938: „Berchtesgadener Abkommen“: Hitler und Schuschnigg treffen einander auf Hitlers „Berghof“ in Berchtesgaden am Obersalzberg, unter Androhung eines Einmarsches stimmt Schuschnigg der Einsetzung von Arthur Seyß-Inquart als Innenminister sowie einer Amnestie für Nationalsozialisten und deren legaler Betätigung in der Vaterländischen Front zu.
20. Februar 1938: Erstmals wird eine Rede Hitlers vollständig im österreichischen Rundfunk übertragen.
24. Februar 1938: Schuschnigg hält im historischen Reichsratssitzungssaal des Parlaments eine vom Rundfunk und auf öffentliche Plätze übertragene aufsehenerregende Rede, in der er die Unabhängigkeit Österreichs bekräftigt: „Bis in den Tod Rot-Weiß-Rot! Österreich!“
9. März 1938: Schuschnigg kündigt bei seinem letzten öffentlichen Auftreten in einer Rede in Innsbruck für den 13. März die Abhaltung einer Volksbefragung über die Selbstständigkeit Österreichs an, Seyß-Inquart lehnt diese kategorisch ab und unterrichtet Hitler von Schuschniggs Plänen.
10. März 1938: Ab den Morgenstunden ist die deutsche Grenze gesperrt, NS-Kundgebungen in zahlreichen Städten, Demonstrationen in Wien, am Abend erteilt Hitler die Weisung, die 8. Armee zu mobilisieren.
11. März 1938, 2 Uhr: Nach weiteren Unruhen erteilt Hitler die Weisung Nr. 1 für den Einmarsch in Österreich („Unternehmen Otto“).
11. März 1938, Mittag: Seyß-Inquart und Edmund Glaise-Horstenau überreichen Schuschnigg Hitlers Ultimatum zur Verschiebung der Volksbefragung, verlangen Schuschniggs Rücktritt und die Bildung einer Regierung unter Seyß-Inquart.
11. März 1938, 13 Uhr: Unterzeichnung der Weisung Hitlers für den Einmarsch, „wenn andere Mittel nicht zum Ziele führen“.
11. März 1938, Nachmittag: Nach Androhung des Einmarsches erklärt sich Schuschnigg bereit, die Volksbefragung abzusagen, lehnt aber einen Rücktritt ab.
11. März 1938, 15.30 Uhr: Nach weiteren Verhandlungen bietet Schuschnigg seinen Rücktritt an, Bundespräsident Wilhelm Miklas akzeptiert, weigert sich aber, Seyß-Inquart zum Kanzler zu ernennen.
11. März 1938, 19.47 Uhr: Schuschnigg hält seine Abschiedsrede im Rundfunk, er endet mit „So verabschiede ich mich in dieser Stunde von dem österreichischen Volke mit einem deutschen Wort und einem Herzenswunsch: Gott schütze Österreich.“ Das Straßenbild in Wien und den großen österreichischen Städten ändert sich innerhalb von Minuten dramatisch. Die Nationalsozialisten beherrschen bald die Lage. Tumultartig beginnt die Jagd auf Gegner, die Züge und Straßen Richtung Grenzen sind bald überfüllt.
11. März 1938, später Abend: Miklas ernennt Seyß-Inquart zum Bundeskanzler und lobt auch sein Kabinett an, eine Hakenkreuzfahne wird auf dem Rathaus aufgezogen.
12. März 1938, Früh: Hitler wird geweckt und befiehlt, den Einmarsch der deutschen Armee nicht zu stoppen, zwei Maschinen landen in Aspern, Passagiere sind unter anderem Heinrich Himmler und weitere hochrangige SS-Leute.
12. März 1938, 5.30 Uhr: Deutsche Truppen überschreiten die österreichische Grenze bei Passau und Schärding, wenig später folgt eine Panzerdivision, der „Anschluss“ ist praktisch vollzogen.
12. März 1938, Vormittag: Während die erste Verhaftungswelle läuft, macht sich Hitler über Braunau und Linz auf den Weg nach Wien. Es wird ein Triumphzug. In Wien kommt es in der Folge zu „Reibpartien“, bei denen Passanten gezwungen werden, auf die Straßen gemalte Pro-Österreich-Parolen zu entfernen.
13. März 1938: Das Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich wird ausgearbeitet, Bundespräsident Miklas tritt zurück, nachdem er seine Unterschrift für das „Anschlussgesetz“ verweigert hat, Seyß-Inquart proklamiert das Gesetz vom Balkon des Bundeskanzleramts und gibt den Termin für die Volksabstimmung bekannt.
14. März 1938: Hitler trifft in Wien ein und hält vom Balkon des Hotels Imperial eine Ansprache. Für den 10. April wird eine „Volksabstimmung über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ angeordnet.
15. März 1938: Hitler hält vor rund 250.000 Zuschauern seine Rede am Heldenplatz und verkündet den „Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich“, systematische „Säuberungen“ von Heer und Beamtentum beginnen, Politiker und Personen öffentlichen Lebens werden verhaftet.
16. März 1938: Nur Mexiko, Chile, die Sowjetunion und das republikanische Spanien protestieren gegen die Annexion Österreichs durch Hitler-Deutschland. Unter den vielen, die in diesen Tagen Selbstmord begehen, befindet sich auch der Kulturhistoriker, Schriftsteller und Schauspieler Egon Friedell, der aus dem Fenster springt, als sich die SA Zutritt zu seiner Wohnung verschafft.
17. März 1938: Eingliederung der Nationalbank in die Deutsche Reichsbank. 243 Millionen Schilling Goldreserven und 121 Millionen an Devisenbeständen werden nach Berlin geschafft. Die Wertrelation des Schilling zur Reichsmark wird im Verhältnis 1RM = 1,5S festgelegt.
18. März 1938: In einer feierlichen Erklärung fordern Kardinal Innitzer und die anderen österreichischen Bischöfe die katholischen Gläubigen auf, sich bei der angeordneten Volksabstimmung „als Deutsche zum Deutschen Reich zu bekennen“. Dies sei „selbstverständliche nationale Pflicht“.
1. April 1938: Erster Österreicher-Transport in das Konzentrationslager Dachau. In der 150-Personen-Gruppe befinden sich die nachmaligen Bundeskanzler Leopold Figl und Alfons Gorbach, Fritz Bock (später Handelsminister und Vizekanzler), Franz Olah (später ÖGB-Chef und Innenminister) und Viktor Matejka (erster Wiener Kulturstadtrat nach dem Krieg).
10. April 1938: 99,7 Prozent der Österreicher stimmen bei der durch die NS-Propaganda vorbereiteten Volksabstimmung für den „Anschluss“.
20. Mai 1938: Die Nürnberger Rassengesetze werden auch in Österreich eingeführt.
8. August 1938: Auf Anordnung Hitlers wird mit dem Bau des Konzentrationslagers Mauthausen in Oberösterreich begonnen. In dem KZ und seinen 49 Nebenlagern werden bis Kriegsende 210.000 Menschen gefangen gehalten, mindestens 105.000 werden ermordet oder gehen zugrunde.
9. November 1938: Vom Naziregime gesteuerte Pogrome in ganz Deutschland und Österreich, bei denen Wohnungen und Geschäfte geplündert und zahllose Synagogen und Bethäuser niedergebrannt werden. In Wien werden 27 Juden ermordet, 88 weitere schwer verletzt, rund 7.800 verhaftet.