Wien Modern - „Chinese Opera“: Keine Oper, und nicht aus China

Wien (APA) - Was Exotik und Klänge aus weit entfernten Welten und Zeiten verspricht, war in Wirklichkeit eine sehr persönliche und sehr konk...

Wien (APA) - Was Exotik und Klänge aus weit entfernten Welten und Zeiten verspricht, war in Wirklichkeit eine sehr persönliche und sehr konkrete Begegnung mit einem der Großen unserer Tage. Sein Porträt-Konzert bei Wien Modern hat Peter Eötvös gestern, Sonntag, im Wiener Konzerthaus selbst dirigiert. „Chinese Opera“ - das zentrale Stück des Abends - entpuppte sich als Allegorie für das Ureigene.

„In China hat jede Provinz ihren eigenen Theaterstil“, schreibt der Komponist in seinem verblüffend knappen Kommentar zum kryptischen Stück. Dieser Stil werde nach der Provinz benannt und dann Jahrhunderte unverändert gespielt. Seine „Chinese Opera“ aus 1985/86 sei demnach die Oper seiner „eigenen Provinz“, so Eötvös über den etwas irreführenden Titel seiner Komposition. Sie ist weder eine Oper, noch stammt sie aus China. Vielmehr orientiert sich die szenische Denke, die zweifellos und unüberhörbar als Konstruktionsprinzip fungierte, an wichtigen Regisseuren der westlichen Welt: „für Peter Brook“ steht etwa in Klammern hinter dem ersten Satz.

Luc Bondy und der „lyrisch-geschmeidigen Schönheit“ seiner szenischen Arbeit ist der zweite Satz zugeschrieben. Zuschreibungen, die weniger Widmung als Spielanweisung sind. Ein szenischer Geist, ein Tempo, eine theatrale Perspektive, die eine als Oper musizierte symphonische Dichtung auf eine imaginäre Bühne bringt - ganz gemäß dem heurigen Festivalmotto „Bilder im Kopf“: Eine Musik voller Dialoge, Auf- und Abtritte, voller räumlicher Anwesenheit der Darsteller - nicht Menschen, vielmehr Instrumente.

Schon in der ersten Konzerthälfte hatte der 73-jährige Eötvös das in Hochform agierende Klangforum auf dieser als Mischung aus Hommage und Rätselrallye angelegten Expedition angeleitet und ließ sich selbst als Spieler und Tüftler auftreten. Bei seinen „Shadows“ aus 1995/96 meint es der Titel einmal ernst: Die Beschattung und Schattenwerdung einzelner Klänge beruht auf einer zunächst verwunderlichen, im Laufe des Stücks aber immer sinnhafteren Aufstellung der Instrumente. Während die Holzbläser der Solo-Flöte (Vera Fischer) „Schatten“ spenden und ihre Töne damit gleichsam zum Objekt im Raum werden lassen, leisten die Blechbläser ebendies für die Solo-Klarinette (Olivier Vivares). Andere spielen so leise, dass sie nur über die im Saal verteilten Lautsprecher zu hören sind: Flüsternde Schatten aus dem Hinterhalt.

Die „Sonata per sei“ (2006) wiederum, eine Verneigung vor seinem Landsmann Bela Bartok, stellt in der eigenwilligen Haptik ihrer Instrumentierung eine Art klaviertechnische Version künstlicher Intelligenz in den Raum. Automatisch fügt ein digitales Klavier einem akustischen Flügel parallele Intervalle hinzu - gesteuert von einer am Laptop errechneten Transposition. Zukunftsvisionär, Konzepthumorist, Tonregisseur - und Maestro. Peter Eötvös wurde gestern für all diese und noch mehr Funktionen gefeiert.

(S E R V I C E - www.wienmodern.at)