Russlands ungeliebte Revolution
Für den Kreml und Putin ist der 100. Jahrestag der Oktoberrevolution ein schwieriges Datum.
St. Petersburg, Moskau — Vor 100 Jahren wurde im heutigen St. Petersburg Geschichte geschrieben. Am 25. Oktober 1917 (7. November 1917 nach neuem Kalender) besetzten kommunistische Soldaten und Matrosen wichtige Punkte in der russischen Hauptstadt, die damals Petrograd hieß. Eine Nacht später drangen sie in den Winterpalast ein. Dort saß seit der Februarrevolution acht Monate vorher schon nicht mehr Zar Nikolaus II., sondern nur noch eine schwache Übergangsregierung. In einem Handstreich, verklärt zur „Großen Sozialistischen Oktoberrevolution", übernahm der radikalste Flügel der russischen Linken die Macht: die Partei der Bolschewiki unter ihrem Führer Wladimir Iljitsch Lenin. Es war eine welthistorische Wende: Der erste sozialistische Staat entstand, aus Russland wurde 1922 die Sowjetunion, es begann ein Jahrzehnte dauernder Wettbewerb der politischen Systeme.
Doch die Sowjetunion zerfiel 1991. Und das heutige Russland tut sich schwer mit diesem Jubiläum. Einerseits kostete die kommunistische Herrschaft Millionen Menschen das Leben, vor allem unter dem Diktator Josef Stalin. Andererseits trauern immer noch viele Russen bis hinauf zu Präsident Wladimir Putin der verlorenen Größe der Sowjetunion nach. Historiker sind sich heute einig, dass weniger der Umsturz von 1917, sondern die Festigung der Macht im blutigen Bürgerkrieg bis 1922 der eigentliche Erfolg der Bolschewiki unter Lenin war.
Für den heutigen russischen Präsidenten Putin ist Lenin freilich einer der großen Zerstörer in der russischen Geschichte. „Lenin hat eine Atombombe unter das Gebäude gelegt, das Russland heißt, und die ist dann explodiert", sagte er 2016. Gemeint war die Aufteilung der Sowjetunion in Republiken wie die Ukraine oder Weißrussland, die beim Zerfall des Riesenreichs eigenständige Staaten wurden.
Vor dem Jubiläum kam der Kremlchef erneut auf den Umsturz zurück: „Hätte man sich nicht ohne Revolution, sondern auf evolutionärem Weg weiterentwickeln können?", fragte er klagend. Kremlchef Putin bleibt jedenfalls distanziert. Er hoffe mit Blick auf den 100. Jahrestag auf eine Aussöhnung der Gesellschaft mit der sowjetischen Geschichte. „Ich hoffe, dass das Datum als Schlussstrich unter den dramatischen Ereignissen wahrgenommen wird, die unser Land und das Volk gespalten haben", erklärte er.
Richtig feiern will nur die an Anhängerschwund leidende Kommunistische Partei Russlands. „Wir müssen die Größe Lenins und die Größe unserer Revolution, die für die Welt eine neue Epoche eröffnet hat, in Ehren halten", sagte Parteichef Gennadi Sjuganow. (dpa, APA, TT)