„Die Zweisamkeit der Einzelgänger“: Band 4 der großen Meyerhoff-Saga

Wien (APA) - Der schüchterne Jungschauspieler von einst, der ständig mit der Berufswahl haderte, hat es längst geschafft: Joachim Meyerhoff ...

Wien (APA) - Der schüchterne Jungschauspieler von einst, der ständig mit der Berufswahl haderte, hat es längst geschafft: Joachim Meyerhoff wurde für sein fulminantes Solo „Die Welt im Rücken“ kürzlich „Schauspieler des Jahres“ und hat alle Chancen, kommenden Montag auch den Nestroy-Preis dafür zu bekommen. Einen Tag später stellt er im Burgtheater sein neues Buch vor: „Die Zweisamkeit der Einzelgänger“.

Lange vor dem Norweger Karl Ove Knausgard hat der 1967 geborene Schauspieler, der seit 2005 Ensemblemitglied des Burgtheaters ist, begonnen, sich und seinen Werdegang öffentlich mit scharfen Schnitten, die durchaus auch wehtun, in Einzelportionen zu zerlegen. Der sechsteilige Zyklus „Alle Toten fliegen hoch“ war ein Bühnenereignis ersten Ranges und schlug sich ab 2011 auch in Buchform nieder: Die Romane „Alle Toten fliegen hoch. Amerika“, „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ (2013) und „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ (2015) erzählten von den Erfahrungen des 16-Jährigen auf Schüleraustausch in einer US-Kleinstadt, von einer irren Kindheit in der Psychiatrie (die von seinem Vater geleitet wurde) und seinem schizophrenen Leben als Schauspielschüler, zerrissen zwischen Proben-Exaltiertheit und Geborgenheit in der großbürgerlichen, großelterlichen Wohnhöhle.

In Band vier, „Die Zweisamkeit der Einzelgänger“, geht es nun um seine ersten Engagements in Bielefeld und Dortmund. Wem seine verunglückte Todesszene als Tybalt und sein katastrophaler Lachanfall bei Celans „Todesfuge“ bekannt vorkommt, wer sich an Hanna, die ungewöhnliche und hochbegabte Studentin, Franka, die unersättliche Partytigerin und biegsame Tänzerin, und Ilse, die dicke, schwitzende, mütterliche Bäckersfrau erinnert, der hat Teil fünf der herrlichen Plauderstunden und Erzählabenden gesehen, der 2009 im Burgtheater-Vestibül Premiere hatte.

Das liest sich nun auch in Buchform flüssig, ist mal melancholisch, mal witzig, meist tragischkomisch und immer unterhaltsam. Im Gegensatz zum selbstquälerischen, schreibtherapeutischen Ansatz der bewusst rohen und radikalen Offenheit Knausgards ist Meyerhoff nämlich vor allem selbstironisch und immer auf Wirkung bedacht. Ob er dabei wirklich von sich erzählt, oder von der publikumswirksam zur tragischen Größe erhobenen Kunstfigur Joachim, ist gänzlich unerheblich. Entscheidend ist, dass ihm dieses Vexierspiel glänzend gelingt. Dass auch der Theaterbetrieb dabei einiges einzustecken hat und die Diskrepanz zwischen fiebrigem Kunstwollen und ernüchterndem Alltag sehr launig beschrieben wird, erhöht das Lesevergnügen.

Nicht ungern läse man in einem künftigen fünften Band über seine weiteren Erfahrungen in Köln, Berlin, Hamburg und Wien und wie die Prominenten der Zunft dabei wegkommen. Vorerst gibt es aber einfach eine weitere Etappe in Meyerhoffs Schauspieler-Karriere: Fünf Tage nach der Nestroy-Verleihung und vier Tage nach seiner Buchpräsentation hat er als Ibsens „Volksfeind“ in der Regie von Jette Steckel am Burgtheater Premiere.

(S E R V I C E - Joachim Meyerhoff: „Die Zweisamkeit der Einzelgänger“, Kiepenheuer & Witsch, 416 Seiten, 24,70 Euro, Lesungen am 12.11., 14 Uhr, auf der Buch Wien, und am 14.11., 20.30 Uhr, im Burgtheater)