„Paradise Papers“ zeigen Nutzung von Steueroasen durch Konzerne

München (APA/AFP) - Die kompliziertesten Vorgänge, die durch die „Paradise Papers“ aufgedeckt wurden, betreffen laut der Süddeutschen Zeitun...

München (APA/AFP) - Die kompliziertesten Vorgänge, die durch die „Paradise Papers“ aufgedeckt wurden, betreffen laut der Süddeutschen Zeitung („SZ“) oft die Steuerkonstruktionen multinationaler Konzerne.

Während die im April 2016 veröffentlichten „Panama Papers“ vor allem Steuerhinterziehung, Korruption und andere Delikte belegten, geben die „Paradise Papers“ Einblicke in die Arbeit hochspezialisierter Berater, die komplizierte Konstrukte zur Steuervermeidung schaffen, wie der NDR hervorhob. Meist seien die angewandten Tricks legal, ähnelten jedoch im Ergebnis dem der Steuerhinterziehung, weil ein enormer Schaden durch nicht gezahlte Steuern entstehe.

So gelinge es dem US-Sportartikelhersteller Nike, durch Offshore-Firmen und mithilfe der auf den Bermudas gegründeten Anwaltskanzlei Appleby seine weltweite Steuerquote auf 13,2 Prozent zu drücken. Zu den Kunden der Kanzlei gehörten demnach auch der Taxi-Konkurrent Uber, der Internet-Riese Facebook und der Haushaltsgerätehersteller Whirlpool.

Die neuen Dokumente enthüllen dem Bericht zufolge auch, nach welchen Kriterien der Computergigant Apple eine neue Steueroase für seine Geschäfte suchte: Es sollte ein Land sein, das wenig Transparenz und Steuern verlangt und in dem offenkundig keine Opposition diese Großzügigkeit gegenüber dem iPhone-Hersteller rückgängig machen könnte, wenn sie an die Regierung käme.

Die Paradise Papers bestehen laut „SZ“ aus Daten, die sich aus 21 unterschiedlichen Quellen speisen. Zum einen seien der „SZ“ vertrauliche Dokumente der Anwaltskanzlei Appleby und der kleineren Treuhandfirma Asiaciti Trust mit Hauptsitz in Singapur zugespielt. Zum anderen habe sie die internen Daten der Firmenregister von 19 Steueroasen erhalten wie etwa den Bermudas, den Cookinseln oder Malta.

Doch nicht nur Konzerne nutzen die Steueroasen, auch Prominente: Die britische Königin Elizabeth II. soll rund zehn Millionen Pfund (11 Mio. Euro) aus ihrem Privatvermögen in Fonds auf den Kaimaninseln und den Bermudas angelegt haben. Das Geld sei unter anderem in die umstrittene Handelskette Brighthouse reinvestiert worden, die wegen Wucherzinsen in der Kritik steht, berichteten BBC und „Guardian“. Geld sei auch in eine Ladenkette für Spirituosen geflossen, die aber später pleite ging. Das Herzogtum von Lancaster, das für die Anlagen der Queen zuständig ist, erklärte: „Alle unsere Investitionen sind vollständig überprüft und rechtmäßig.“

Kanadas Premierminister Justin Trudeau war vor zwei Jahren unter anderem wegen seines Versprechens gewählt worden, wirtschaftliche Ungleichheiten zu bekämpfen und für Steuergerechtigkeit zu sorgen. Nun enthüllen die „Paradise Papers“, dass sein wichtigster Spendensammler und Berater Stephen Bronfman gemeinsam mit Ex-Senator Leo Kolber umgerechnet rund 52 Mio. Euro in eine Offshorefirma auf den Kaimaninseln investierte. Der Milliardär Bronfman ist Erbe des früheren Spirituosenimperiums Seagram.

Der irische Rocksänger Bono, der sich vielfältig politisch und sozial engagiert und unter anderem für einen Schuldenerlass der Entwicklungsländer kämpft, investierte den Dokumenten zufolge über Firmen in den Steuerparadiesen Malta und Guernsey.

Nutzer der Offshore-Welt ist den „Paradise Papers“ zufolge auch der US-Investor George Soros, der über die Kanzlei Appleby ein Netz von Firmen unter anderem auf den Britischen Jungferninseln und den Bermudas verwaltet haben soll. Der Gründer des Onlineauktionshauses, Pierre Omidyar, ist demnach Chef einer Firma auf den Kaimaninseln, die als Investitionsvehikel für seinen Trust fungiere.

Die Dokumente belegen der „SZ“ zufolge ferner, wie der deutsche Spielotheken-Betreiber Paul Gauselmann die Welt des Online-Glücksspiels erobert. Das Geschäft, das faktisch staatlicher Regulierung entzogen ist, habe seinen Grundstein in der Steueroase Isle of Man.

Die deutsche Milliardärsfamilie Engelhorn ist laut „SZ“ Großkunde der Kanzlei Appleby. Ein Steuerverfahren gegen zwei Töchter des 2016 verstorbenen Pharma-Unternehmers Curt Engelhorn hatte demnach zu einer Nachzahlung von 145 Millionen Euro geführt. Allerdings wussten die deutschen Steuerbehörden laut „SZ“, NDR und WDR damals nichts von einigen der dutzenden Trusts, die der Familie Engelhorn zuzurechnen seien.

In Deutschland führen die Spuren zu rund tausend Kunden, Begünstigten oder anderweitig Involvierten. Diesen könne „nicht automatisch rechtliches oder moralisches Fehlverhalten“ unterstellt werden, schrieb die „SZ“. Unter den Offshore-Nutzern sind demnach Firmen wie Sixt, die Deutsche Post, Siemens, Bayer und die Deutsche Bank.

Der frühere deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte laut „SZ“ eine Leitungsfunktion bei einer Offshore-Firma. Er soll von 2009 bis 2011 „unabhängiger Aufsichtsrat“ des russisch-britischen Energiekonzerns TNK-BP mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln gewesen sein. Laut „SZ“ will er sich dazu nicht äußern.

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