Steiermark

Gutachter bei Stiwoll-Doppelmord: „Sind keine Hellseher“

Friedrich F. soll zwei seiner Nachbarn mti einer Schusswaffe getötet, eine weitere Frau schwer verletzt haben.
© APA

Manfred Walzl untersuchte Friedrich F. insgesamt dreimal. Dass er zu solch einer Tat schreiten würde, hätte der Experte nicht erwartet.

Stiwoll/Graz/Leoben – Gerichtsgutachter Manfred Walzl, der im Auftrag mehrerer Behörden Gutachten über den flüchtigen Friedrich F. erstellt hat, schilderte am Montag im APA-Gespräch, dass die Taten für ihn überraschend waren: „Ich hätte ihn nicht so eingeschätzt, dass er zu so etwas neigt, aber man kann in einen Menschen nicht hineinschauen.“ Er verteidigte seine Expertisen. Zudem seien Gutachter „keine Hellseher“.

Walzl erklärte, dass er insgesamt drei Gutachten über Friedrich F. erstellt habe. Ein erstes 2013 im Auftrag des Landesgerichts Leoben, ein zweites – ein Aktengutachten - 2014 im Auftrag der Staatsanwaltschaft Leoben sowie ein drittes 2016. Bei den ersten beiden sei nicht die Frage der Gefährlichkeit gestellt worden, weil auch der Strafrahmen unter einem Jahr lag – „und von selbst darf ich so etwas auch nicht auf das Tapet bringen“, betonte Walzl. Dennoch habe er ausdrücklich in den Expertisen festgehalten, dass der Mann dringend „ärztliche Hilfe“ benötige.

Verdächtiger war bereits in geschlossener Anstalt

Beim dritten Gutachten war zwar die Gefährlichkeit im Zentrum der Untersuchung, doch es ging vorrangig um die Möglichkeit eines Suizids, denn der Verdächtige hatte gedroht, sich vor dem Gericht in die Luft zu sprengen. Laut Walzl wurde der 66-Jährige in eine Klinik in die geschlossene Abteilung gebracht, aber aus dieser sofort wieder entlassen, „weil keine Eigen- oder Fremdgefährdung“ vorlag. „Hinterher ist man immer gescheiter“, meinte er im Gespräch, das er von einem Karibik-Urlaub aus mit der APA führte.

Walzl gegenüber habe sich der Stiwoller „ruhig und freundlich“ verhalten: „Er sagte, er sieht sein Fehlverhalten ein.“ In das Gutachten habe Walzl geschrieben, dass die Suizid-Drohung nicht nachvollziehbar sei und da auch keine Sprengmittel beim 66-Jährigen gefunden wurden, sei der Gutachter damals von einer „nicht großen Wahrscheinlichkeit“ einer suizidalen Tathandlung ausgegangen. „Er hat ja niemanden konkret bedroht“, sondern dass er sich selbst in die Luft sprengt, begründete der Sachverständige. Das habe daher auch für eine Einweisung nach Paragraf 21 des Strafgesetzbuches nicht gereicht. Nichtsdestotrotz habe Walzl abermals darauf hingewiesen, dass für den Mann eine Therapie notwendig ist. Zudem hielt Walzl fest, dass er den Mann zuletzt im Vorjahr gesehen hat und sich seither Veränderungen ergeben haben könnten.

Nach Friedrich F. wird in ganz Europa gefahndet.
© LPD STEIERMARK

Staatsanwalt war anderer Meinung

Anders sah die Oberstaatsanwaltschaft Graz die Lage: Sie teilte am Montag in einer Aussendung mit, dass Walzl „wegen einer gefährlichen Drohung mit dem Tod am 25. Oktober 2016“ unter anderem mit nachstehender Frage befasst wurde: „Ist nach der Person, nach dem Zustand und nach der Art der Taten des Beschuldigten Friedrich F. zu befürchten, dass er sonst unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen, konkret welcher Art (etwa auch wieder Gefährdungen mit Sprengmittel, oder auch Todesdrohungen, schwere Körperverletzungen etc.) begehen wird?“ Im Gutachten vom 30. November 2016 habe Walzl zusammenfassend ausgeführt, dass er „nicht mit der im Gesetz geforderten großen Wahrscheinlichkeit von neuerlichen Tathandlungen mit schweren Folgen ausgehen“ könne. Eine Empfehlung gemäß Paragraf 21 Absatz 1 StGB müsse daher aus gutachterlicher Sicht unterbleiben.

Aufgrund dessen könne keine Rede davon sein, dass die Staatsanwaltschaft den Sachverständigen nicht mit einer Gefährdungseinschätzung beauftragt hat und sich das Gutachten des Sachverständigen lediglich auf die Suizidgefährdung des Friedrich F. bezogen habe, hieß es in der Aussendung weiter. „Die Gefahr der Begehung weiterer mit Strafe bedrohter Handlungen mit schweren Folgen ist aber eine unabdingbare Voraussetzung für die vorläufige Anhaltung und die Unterbringung einer Person in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, weshalb der Staatsanwaltschaft auf Basis dieses Gutachtens darauf abzielende Anträge verwehrt waren.“ Im Übrigen zähle es nicht zu den Aufgaben der Staatsanwaltschaft, Gutachten zur Suizidgefährdung einzuholen, schloss die Oberstaatsanwaltschaft. (APA)

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