„Paradise Papers“ - Reiche durch Tricks erneut in Erklärungsnot
Berlin (APA/dpa) - Die „Paradise Papers“ haben es in sich. Sie können das Gerechtigkeitsempfinden normaler Steuerzahlern erschüttern, Behörd...
Berlin (APA/dpa) - Die „Paradise Papers“ haben es in sich. Sie können das Gerechtigkeitsempfinden normaler Steuerzahlern erschüttern, Behörden auf neue Spuren bringen und Befürworter schärferer Regeln unterstützen. Millionen Unterlagen über Steueroasen und Briefkastenfirmen wecken neue Zweifel an Steuer- und Geschäftspraktiken von Politikern und Prominenten - ein Überblick:
Was sind die „Paradise Papers“?
13,4 Millionen Dokumente. Sie wurden der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) laut den Angaben des Blatts von unbekannter Seite zugespielt. Die Zeitung teilte sie mit dem Netzwerk investigativer Journalisten ICIJ. Reporter arbeiteten weltweit rund ein Jahr lang mit den Daten, die von der auf den Bermudas gegründeten Kanzlei Appleby stammen, einer Treuhandfirma und aus Firmenregistern von 19 Steueroasen.
Was zeigen die „Paradise Papers“?
Sie zeigen laut den Medien, wie Reiche über Briefkastenfirmen oder andere Geschäfte in intransparenten Steueroasen wie Isle of Man, Malta oder Bermudas Steuern vermeiden oder Gewinne machen. Das heißt nicht, dass die Praktiken illegal sein müssen.
Ist die Existenz der „Paradise Papers“ überraschend?
Nicht unbedingt. Vor gut eineinhalb Jahren erschütterten etwa bereits die Panama Papers die Öffentlichkeit. Immer noch ziehen die Veröffentlichungen über das Vermögen zahlreicher Politiker, Sportler und anderer Prominente in Offshore-Firmen weltweit Konsequenzen nach sich, werden Banken durchsucht oder Betroffene juristisch belangt.
Welcher Fall der „Paradise Papers“ ist politisch am brisantesten?
Wohl die Verbindung des US-Handelsministers Wilbur Ross zu russischen Oligarchen. Er ist laut SZ über diverse Fonds auf den Kaimaninseln an einer Reederei beteiligt, die einen russischen Energiekonzern zu ihren größten Kunden zählt. Der Trump-Minister selbst wies zurück, dass er die Verbindungen zu einer mit Russlands Präsidenten Putin in Beziehung stehenden Firma verheimlicht habe.
Welche internationalen Fälle stechen noch hervor?
Etwa der von U2-Sänger Bono, der sich unter anderem für mehr Entwicklungshilfe der Industriestaaten einsetzt. Wie Bonos Sprecherin laut Medien bestätigte, ist er Minderheitsinvestor eines in der Kanalinsel Guernsey angesiedelten Unternehmens, das ein Einkaufszentrum in Litauen betreibt. Auch der angebliche Fall eines der engsten Parteifreunde und Förderers des kanadischen Premiers Justin Trudeau fällt auf: Viel Geld soll er an einen mysteriösen Trust auf den Kaimaninseln übertragen haben. Selbst Hinweise auf die britische Queen werden genannt. Ihre Vermögensverwalter sollen über einen Fonds auf den Kaimaninseln in eine Firma investiert haben, die Haushaltsgüter auf Raten verkauft - bei enorm hohen Zinssätzen.
Werden deutsche Verbindungen genannt?
Die SZ erinnert an ein Steuerstrafverfahren gegen die Töchter des verstorbenen Pharmaunternehmers Curt Engelhorn. Sie sollen laut den damaligen Vorwürfen der Ermittler 440 Mio. Euro Schenkungssteuer hinterzogen haben, nachdem Engelholm ihnen über ausländische Trusts ein Vermögen zukommen gelassen hatte. Die bayerischen Finanzbehörden einigten sich in einem 2015/16 ausgehandelten Deal mit den Töchtern auf eine Steuernachzahlung von 145 Mio. Euro. Laut SZ sollen die „Paradise Papers“ zeigen, dass der Familie weitere Trusts oder Briefkastenfirmen zuzuordnen seien.
Existieren weitere Hinweise auf Deutsche?
Ja. So hat der Glücksspiel-Unternehmer Paul Gauselmann eine Tochterfirma eines deutschen Spiele-Entwicklers auf der Isle of Man gegründet, für die Appleby-Anwälte Geschäftsbedingungen und Lizenzvereinbarungen entwickelten und die dort genehmigt wurde. Die Gauselmann-Gruppe bestätigte dies laut SZ. Von der Insel aus werde Online-Glücksspiel vertrieben, das in Deutschland weitgehend verboten sei. Die Gauselmann-Gruppe betont laut SZ, dass alles legal sei.
Gibt es auch Hinweise auf weltweit bekannte Firmen?
Ja. So baute laut SZ der Sportartikelhersteller Nike erst auf den Bermudas und dann in den Niederlanden ein System auf, das dem Konzern außerhalb der USA Milliarden Euro an Steuern erspare. Der Computergigant Apple war laut SZ bestrebt, einen Geschäftssitz in einem Land zu finden, in dem keine Steuern anfallen. Beide Firmen hätten auf Anfrage betont, sich ans Recht zu halten, so die Zeitung.
Hat sich im Kampf gegen Steueroasen nichts getan?
Doch. Unter anderem starten Ende September Deutschland und 49 weitere Staaten einen automatischen Austausch von Informationen, der Finanzbehörden Einsicht in Auslandsgeschäfte ihrer Bürger gibt. Auch Konten von Treuhändern, Trusts und Stiftungen, die Reiche gern zur Verschleierung ihrer Geschäfte nutzen, fallen darunter. Auch einstige Steueroasen und Inselstaaten mit ihren Briefkastenfirmen machen mit, etwa die Kaimaninseln und Liechtenstein. Ab September 2018 sollen sich mehr als 100 Länder beteiligen. Ein nach den Panama Papers verabschiedetes Gesetz, das das steuerliche Bankgeheimnis abschafft, tritt in Deutschland 2018 in Kraft.
Ist damit alles scharf genug geregelt?
Aus Expertensicht: Nein. „Weitere Anstrengungen werden erforderlich sein“, sagt auch ein Sprecher des Finanzressorts. Die Regierung begrüßt die neuen Veröffentlichungen - denn sie unterstütze die eigene Linie, weitere Schlupflöcher für Steuersünder zu schließen. Nötig seien etwa Regelungen für eine Mindestbesteuerung. Zunächst rief die Regierung die Medien auf, die Originaldaten für die Finanzbehörden zur Verfügung zu stellen.