Thriller-Autor Sebastian Fitzek hebt ab: „Flugangst 7A“
München (APA/dpa) - Ein Albtraum: In „Flugangst 7A“ soll ein Psychiater einen Menschen so manipulieren, dass er das Flugzeug mit rund 600 In...
München (APA/dpa) - Ein Albtraum: In „Flugangst 7A“ soll ein Psychiater einen Menschen so manipulieren, dass er das Flugzeug mit rund 600 Insassen zum Absturz bringt. Folgt er dieser Anweisung nicht, werden seine Tochter und ihr noch ungeborenes Baby sterben. Erfolgs-Autor Sebastian Fitzek spielt gekonnt mit den Ängsten seiner Leser.
Ob man Sebastian Fitzeks Bücher mag oder nicht - eines kann man dem Berliner nicht absprechen: Er versteht was von Nervenkitzel. Kaum verwunderlich also, dass auch sein jüngstes Werk „Flugangst 7A“ eine äußerst spannungsgeladene Konstruktion ist. Wobei Konstruktion wörtlich zu nehmen ist, denn der brandneue Psychothriller ähnelt mit seinen bizarren Erkern und Nischen dem verwegenen und Grenzen auslotenden Modell eines Architekten innerhalb des Mainstreams.
Dieses Mal bewegt sich der Erfolgsautor (Jahrgang 1971) buchstäblich zwischen Abgründen und Höhenflug. Die Erdung - aus dieser oder jener Richtung - ist keineswegs vorprogrammiert. Zunächst erst einmal verliert Mats Krüger die Bodenhaftung. Der Psychiater - selbst seelisch angeschlagen und therapiebedürftig - macht sich auf den Weg von Buenos Aires nach Berlin, um seiner in den Wehen liegenden Tochter Nele beizustehen. Da Eile geboten ist, entschließt sich Krüger für den Luftweg, obwohl er wahnsinnige Flugangst hat. Gleich vier Plätze hat er gebucht. Ständiges Pendeln dazwischen verbessert seiner Meinung nach im Absturzfall seine Überlebenschancen.
Den First-Class-Sitz 7A allerdings überlässt er gleich beim Einstieg einer jungen Mutter mit Baby. Krügers aufkeimende Panik wird schon beim Start zur Nebensache, als er eine Aufforderung erhält: Ein Unbekannter erinnert ihn an einen ehemaligen Patienten, den er vor Jahren dank seiner Therapie von einem Amoklauf abgehalten hatte. Nun solle er die Gewaltbereitschaft eben jenes Menschen und Passagiers wiederherstellen und ihn dazu bringen, das Flugzeug zum Absturz zu bringen - samt seiner Person und weiteren 600 Menschen. Weigere er sich, würden seine Tochter und ihr Baby sterben. Die Wahl zwischen Pest und Cholera.
Für Krüger auch ein Ultimatum, das er weder versteht, noch für ihn akzeptabel sein kann. Und doch: Sein permanent schlechtes Gewissen - er hatte einst seine sterbende Frau und seine minderjährige Tochter im Stich gelassen - bringt ihn dazu, um das Leben seiner Tochter zu kämpfen, obwohl er kaum weiß, wie das funktionieren soll. Zwischendurch erfährt der Leser, dass Nele von einem fanatischen Tierschützer gekidnappt wurde und in einem brach liegenden Agrargebäude mit den Wehen, ja, mit dem Tod kämpft.
Neben diesen Hauptsträngen spinnt Fitzek etliche kleine Nebenfäden, die allesamt nicht sonderlich reißfest zu sein scheinen, das Geschehen aber kräftig umgarnen. Es tauchen Menschen aus der Vergangenheit auf, neue treten auf den Plan, skurrile Personen, gute, böse, hilfsbereite, abartige. Das muss man dem Autor zugutehalten: Bei all diesen vielen äußeren Einflüssen verliert man doch nie den Faden.
Die eingangs erwähnte Konstruktion nimmt Gestalt an, auch wenn so mancher Gebäudeteil plötzlich wieder einstürzt. Auch dieser Blickwinkel ist interessant: Krügers bisherige Ängste vor Turbulenzen, Druckabfall und anderen technischen Problemen oder aber vor terroristischen und kriminellen Gewaltszenarien an Bord sind nicht mehr maßgeblich. Es gibt eine andere Waffe, die durch jede Kontrolle kommt und tödlich sein kann: die Psyche des Menschen, wenn sie manipuliert wird.
Was die seelischen Vorgänge der Fitzekschen Figuren betrifft, so mag vieles davon überzogen, wirr und unverständlich erscheinen und eventuell auch einige Leser zu der Frage treiben: Was hat der Mann für eine morbide Fantasie, sich so etwas auszudenken? Lassen wir ihn selbst auf die Frage antworten, wie lange er aus diesem geistigen Fundus noch schöpfen will: Er werde so lange weiterschreiben, bis jemand kommt und zu ihm sagt: „Lieber Herr Fitzek, das Experiment ist vorbei. Wir haben Sie in den letzten elf Jahren glauben lassen, ein Schriftsteller zu sein. Wie fühlen Sie sich jetzt, wo Ihnen klar wird, dass Sie in Wahrheit nur ein Patient des Park-Klinikums sind?“
(S E R V I C E - Sebastian Fitzek: „Flugangst 7A“, Droemer Verlag, München, 400 Seiten, 23,70 Euro)