Innsbrucker Forscher kritisieren Grazer Kunstschnee-Studie
Innsbruck/Graz (APA) - Die durch eine Studie des steirischen Joanneum Research (JR) ausgelöste wissenschaftliche Kontroverse über den Klimae...
Innsbruck/Graz (APA) - Die durch eine Studie des steirischen Joanneum Research (JR) ausgelöste wissenschaftliche Kontroverse über den Klimaeffekt von Beschneiung ist in eine neue Runde gegangen. Forscher der Universität Innsbruck kritisierten am Dienstag in einer Pressekonferenz sowohl das wissenschaftliche Verhalten des JR als auch die Ergebnisse der Studie. Deren Leiter, Frank Prettenthaler, wies die Vorwürfe zurück.
In der aktuellen Studie des JR suggerieren Forscher einen positiven Effekt künstlicher Beschneiung auf das Klima - der abkühlende Effekt der Schneedecke wiegt demnach die Emissionen der Kunstschneeerzeugung auf. Nach einer Überprüfung der Studie durch die Universität Innsbruck unter Federführung der Physiker Georg Kaser und Wolfgang Gurgiser stellten diese die Richtigkeit der Ergebnisse infrage, da wesentliche Faktoren zur Beantwortung der Fragestellung nicht berücksichtigt worden seien.
Zudem warf Kaser den Verantwortlichen der Studie die Missachtung eines essenziellen wissenschaftlichen Kodexes vor, demnach eine Studie vor Veröffentlichung der fachlichen Begutachtung unterzogen werden und ein Peer-Review-Verfahren durchlaufen sollte. Dies sei jedoch nicht geschehen. „Die Vorgehensweise der Autoren verursacht einen Schaden für die Glaubwürdigkeit der österreichischen Klimaforschung“, sagte Kaser.
Inhaltlich bezieht sich die Kritik der Innsbrucker Forscher zum einen auf die nicht gegebene Nachvollziehbarkeit der von der Studie verwendeten Datengrundlagen und Forschungsmethoden, wodurch ihnen auch nach Erhalt der vollständigen Studienunterlagen eine lückenlose Reproduktion nicht möglich gewesen sei. Zum anderen seien mehrere wichtige Faktoren außer Acht gelassen worden, die eine seriöse Aussage über die Klimabilanz der technischer Beschneiung erlauben würden.
Berücksichtigt werden müssten demnach nicht nur die Emissionen durch die Kunstschneeproduktion, sondern auch die bei der Errichtung der Schneekanonen, der Verteilung des Schnees auf den Pisten und der Wartung der Maschinen erzeugten Ausstöße. Zudem sei vernachlässigt worden, dass CO2-Emissionen über mehrere Jahre in der Atmosphäre wirken und das die von der Schneeoberfläche reflektierten Sonnenstrahlen im umliegenden Gelände absorbiert werden könnten.
Mit Hinblick auf die weiteren Handlungsoptionen könne eine Kooperation mit der Seilbahnwirtschaft - koordiniert durch das Schneezentrum Tirol - dazu beitragen, die noch offenen Fragen zu klären. Michael Rothleitner, Leiter des Schneezentrums, zeigte sich auf der Pressekonferenz zum Dialog bereit und begrüßte die angeregte wissenschaftliche Diskussion über eine der zentralen Fragestellungen über die Zukunft des Wintersports.
In einer Aussendung und gegenüber der APA wies der Grazer Volkswirt Franz Prettenthaler, Leiter des JR-Zentrums für Klima, Energie und Gesellschaft (LIFE) und Hauptverantwortlicher der besagten Studie, jegliche Vorwürfe zurück. So sei etwa die langfristige Wirkweise von CO2 in der Atmosphäre in der Studie berücksichtigt worden und hätten laufende Berechnungen ergeben, dass der Gesamteffekt auch dann positiv bleibt, wenn die indirekten Emissionen der Kunstschneeproduktion, etwa Ausstöße der Pistenraupen, miteinbezogen werden. „Unsere aktuellen Berechnungen zeigen daher, dass auch unter Einbeziehung all dieser Komponenten der Effekt bis 2030 noch immer klar im kühlenden Bereich liegt“, so Prettenthaler. Wenn zudem die Umstellung auf CO2-neutralen Strom von der Branche weiterhin konsequent vorangetrieben würde und die Beschneiung somit rasch CO2-frei erfolge, könne auch langfristig ein dauerhaft kühlender Effekt erzielt werden. Über eine weitergehende konstruktive Zusammenarbeit mit anderen Forschungsinstituten zu der Thematik und einer vollständigen Klimabilanz des Skifahrens würde er sich indes sehr freuen.