Bücher auf Dächern: Künstlerisches Publizieren in der Kunsthalle Wien
Wien (APA) - Die Kunsthalle Wien hat drei ziegelrote Giebeldächer bekommen. Diese ragen wie letzte Reste einer bereits fast versunkenen Sied...
Wien (APA) - Die Kunsthalle Wien hat drei ziegelrote Giebeldächer bekommen. Diese ragen wie letzte Reste einer bereits fast versunkenen Siedlung aus dem Boden der ebenerdigen Ausstellungshalle. Die Dachskulpturen sehen zwar aus wie Exponate einer Erwin-Wurm-Schau, sind aber das von Rio Grande und dem Designstudio Dallas gestaltete Display der Ausstellung „Publishing as an Artistic Toolbox: 1989-2017“.
„Ich weiß, dieser Titel klingt nicht sehr verlockend und sexy“, gab Kurator Luca Lo Pinto bei der heutigen Presseführung zu. Doch man habe versucht, die in der Ausstellung angesprochenen Fragen möglichst vielfältig aufzubereiten. Welche Rolle spielen Bücher heute im Kunstkontext? Welche Potenziale und Formen des Publizierens nutzen Künstler in und für ihre Arbeiten?
In elf verschiedenen Sektionen sowie in einigen Gesprächen, Diskussionen und Präsentationen werden diese Themen behandelt. Gleich am Anfang wartet etwa ein Büchertisch auf die Besucher. Der Sammler und Verleger Gregorio Magnani präsentiert hier eine kuratierte Auswahl an Künstlerbüchern, die nicht nur eine gerechte Verteilung von Geschlechtern und Kulturen berücksichtigt, sondern auch vielfältige Strategien der Zusammenarbeit aufzeigt. Internet und Digitaldruck hätten auch hier für Paradigmenwechsel gesorgt, sagte Magnani. 1989 als für die Schau gewähltes Anfangsdatum markiert nicht nur politisch, sondern auch in der Umstellung vom Analogen zum Digitalen einen Wendepunkt.
Weitere Ausstellungs-Kapitel zeigen eine von mehr als 30 Künstlern bestückte „Artist‘s Library“, für die sie jeweils drei Bücher ausgesucht haben, die ihren Blick auf das Publizieren beeinflussten (es finden sich darin u.a. Thomas Bernhards „Untergeher“ auf Englisch, aber auch Mary Shelleys „Frankenstein“), eine breite Auswahl von Zeitschriften, die von Künstlern produziert wurden, oder eine von Christoph Schifferli kuratierte Übersicht über künstlerische Interventionen in Zeitungen und Magazinen, bei der die Projekte von „museum in progress“ eine wichtige Rolle spielen. Die hohen Druckauflagen der Zeitungen sorgten dabei für eine enorme Reichweite, bei gleichzeitigem ephemeren Charakter der Kunstwerke, hob Schifferli hervor.
Dass die meisten Publikationen dabei nicht auf Regalen, sondern auf den schiefen Dächern gezeigten werden, führt den Kunstgedanken auch in der Präsentationsform weiter. Auf Regale, die gleichzeitig auch als Kunstwerke gelten, stößt man dagegen bei einem Off-Site-Projekt in der Wiener Innenstadt, das allerdings nur zu speziellen Daten und gegen Anmeldung im Rahmen von Führungen zugänglich ist. In einem ehemaligen Atelier von Franz West befindet sich, auf vom Künstler selbst gestalteten Regalen, die persönliche Bibliothek Wests.
„In Between“ heißt die dortige Intervention, deswegen sind zwischen dem Österreich-Lexikon des ORF, Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ oder Reclam-Bändchen der „Politik“ von Aristoteles in 16 Büchern künstlerische Interventionen versteckt. Die Gruppe Gelitin hat etwa ein Buch von Pierre Klossowski scheinbar mit Eselsohren versehen, Anna Sophie Berger Platons „Trinkgelage“ auf eingelegtem Transparentpapier bunt markiert. Die Bücher müssen - anhand einer aufliegenden Liste - allerdings erst gefunden werden.
„Wir wollten nicht einfach eine Buch-Ausstellung machen, kein Mausoleum für Bücher“, sagte Luca Lo Pinto. „Wir wollten mehr einen dreidimensionalen Index dafür schaffen, wie vielfältig und komplex das Thema ist.“ Das jedenfalls ist ihm und seinem Team gelungen.
(S E R V I C E - „Publishing as an Artistic Toolbox: 1989-2017“, Kunsthalle Wien, 8.11. bis 28.1.2018, Täglich 11-19 Uhr, Donnerstag 11-21 Uhr. „In Between“: Termine & Führungen: 9., 23.11, 7., 21.12, 18., 25.1, jeweils 18 Uhr, Information und Anmeldung unter: vermittlung@kunsthallewien.at. www.kunsthallewien.at)