47-Jähriger schoss Bekannten an: Prozess in Wiener Neustadt im Finale

Wiener Neustadt (APA) - Der Angeklagte hatte nach dem Streit mit seinem Bekannten um die Bezahlung von Arbeiten selbst Anzeige wegen Sachbes...

Wiener Neustadt (APA) - Der Angeklagte hatte nach dem Streit mit seinem Bekannten um die Bezahlung von Arbeiten selbst Anzeige wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung erstattet. Er hatte relativ frische Hautabschürfungen, sagte der ermittelnde Polizist vor Gericht. Allerdings mutierte der 47-Jährige dann vom Opfer zum Verdächtigen. Die Waffe, mit der er auf den 34-Jährigen geschossen hatte, wurde nicht gefunden.

Ein TV-Gerät in der Hütte war unbeschädigt, schilderte der Beamte. Die Eingangstür wies mehrere Löcher auf, die darüber angebrachte Videokamera, die Bilder auf einen Monitor im Inneren übertrug, war kaputt.

Der Zeugenaussage folgten eine Videovorführung der Tatrekonstruktion in der Werkstatt und ein Gutachten zu den Spuren der - insgesamt fünf - abgegebenen Schüsse. Das Opfer stand damals unmittelbar vor der Tür und hatte die Hand erhoben, um nach etwas zu greifen - möglicherweise nach der Kamera, sagte der Sachverständige. Das Projektil drang durch die mit Sperrholzplatten verkleidete Glastür hindurch in einer Entfernung von etwa 25 Zentimetern von bzw. über seinem Kopf in den Unterarm ein.

In ihrem Schlussvortrag hielt die Staatsanwältin an der auf Mordversuch lautenden Anklage fest. Dafür reiche die Tatsache, dass der Angeklagte den Tod seines Kontrahenten durch den Schuss für möglich halten musste. Der Beschuldigte war zu allen Vorwürfen nicht geständig. Die Situation damals sei vielleicht ein bisschen beängstigend gewesen, aber nicht derart bedrohlich, einen Schusswaffengebrauch zu rechtfertigen. „Natürlich“ war der Bekannte aufgebracht, wenn sein Gegenüber nach einem Streit eine Waffe zieht und schießt, sagte die Anklägerin. Der Schuss durch die Tür wäre aber wohl nicht die einzige Möglichkeit gewesen, den 34-Jährigen, der mit der Faust gegen die Tür „pumperte“ und den er auf dem Monitor sah, zum Verlassen der Werkstatt zu bewegen. Der Mann sei schwer verletzt worden und leide heute noch an den Folgen.

Rechtsanwalt Ernst Goldsteiner plädierte auf Freispruch vom Vorwurf des versuchten Mordes. Aus Sicht der Verteidigung sei der 47-Jährige der schweren Körperverletzung schuldig. Es gebe berechtigte Zweifel, verwies der Jurist auf den Rechtsgrundsatz „in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten). Der subjektive Tatvorsatz fehle. Die ersten vier Schüsse seien Warnschüsse gewesen, der fünfte war auf den erhobenen Arm des 34-Jährigen zielgerichtet. „Kumm ausse do, i zünd‘ dir die Hütt‘n an“, habe dieser auf dem einsamen, finsteren Werksgelände geschrien, gegen die Tür getreten und sich an der Überwachungskamera zu schaffen gemacht.

Den Geschworenen wurde ein umfangreicher Fragenkatalog zur Beantwortung vorgelegt. Neben Vergehen nach dem Waffengesetz und des Besitzes von Kriegsrelikten ging es darum, ob die Tat als Mordversuch oder unter anderem absichtlich schwere Körperverletzung, Nötigung, Putativnotwehr (irrtümliche Annahme einer Notwehrsituation) oder Notwehr bzw. deren Überschreitung zu bewerten war. Der Anwalt stieß sich an der Formulierung des Schusses „in Kopfhöhe“ statt „über der Kopfhöhe“. Die Urteilsberatung begann gegen 14.30 Uhr.