Generationenporträt: TAW bringt Wagners „Ring“ als eingedampften Mix
Wien (APA) - Das Theater an der Wien (TAW) begeht den Auftakt der heurigen Adventzeit alles andere als besinnlich: Am 1. Dezember wird der S...
Wien (APA) - Das Theater an der Wien (TAW) begeht den Auftakt der heurigen Adventzeit alles andere als besinnlich: Am 1. Dezember wird der Start zum Großprojekt der laufenden Saison gefeiert - dem Wagner‘schen „Ring“ als Kondensat an drei Abenden. Das Eindampfen und Neuschmieden der Tetralogie auf drei Teile stellt den Höhepunkt des Herbstes im Haus nach der „Zauberflöte“ und dem „Wozzeck“ dar.
„Es ist ein Projekt, das über den normalen Versuch, etwas Neues zu machen, hinausgeht“, umriss bei der Präsentation des Vorhabens am Mittwoch Intendant Roland Geyer die Dimension des Konzepts. Anstatt der Wagner-Kapitelteilung „Rheingold“, „Walküre“, „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ lauten die Teile im TAW „Hagen“, „Siegfried“ und „Brünnhilde“, die an drei aufeinanderfolgenden Abenden gespielt werden.
Man setzte auf eine leichte Verschiebung der Schwerpunkte und eine Konzentration auf die Verhältnisse zwischen den Generationen, so die Berliner Regisseurin Tatjana Gürbaca, die die Mammutaufgabe übernommen hat: „Am interessantesten finde ich die Geschichte der zweiten Generation.“ Der Fokus wandert also weg von den Göttern hin zu den Menschen und dem Umgang mit der Schuld der Vorväter. Figuren aus den Seitenästen wie Fricka und die Nornen, Thor oder Freia haben stattdessen spielfrei und auch die Walküren müssen nicht zum Ritt ansetzen.
Stattdessen setzt die Theatermacherin auf eine subjektive Erzählweise, bei der jeder Abend die Sicht der jeweiligen Titelfigur beleuchtet. Am Beginn steht stets Siegfrieds Tod, bevor zuerst der Täter Hagen, dann das Opfer Siegfried und am letzten Abend das schuldige Opfer Brünnhilde in den Mittelpunkt rückt. Dass bei Wagner immer verschiedene Wahrheiten gleichwertig nebeneinander stünden, sei schließlich das Moderne an dem Komponisten, unterstrich Gürbaca. Bezüglich der stilistischen Umsetzung setze sie durchaus auf das Bühnenbild als Zauberkiste, habe Freude daran, den Theaterapparat als solchen zu zeigen: „Aber man kann auch mit ganz wenigen Handstrichen eine ganze Welt erzeugen.“
Dabei entfallen ganze sechs der ursprünglich 15 Stunden Musik des Originals - wobei man nicht innerhalb der einzelnen Szenen kürzt. „Zuerst schluckt man und fragt sich: Was soll da wegfallen?“, erinnerte sich Constantin Trinks, der das RSO durch den Abend führen wird, an seine erste Reaktion. Überzeugt habe ihn, dass nicht innerhalb der Szenen geschnitten, sondern diese neu zusammengesetzt werden: „Man kann mit einer Niere leben, aber mit einer Viertelniere wird es schwierig.“ Auf der reduzierten Instrumentierung von Alfons Abbass aus 1905 mit 62 Musikern basierend, sind etwa die Bläser fast um die Hälfte reduziert, die Streicher hingegen beinahe unangetastet. Auf der Sängerseite müssen Daniel Brenna als Siegfried und Ingela Brimberg als Brünnhilde dennoch die sportliche Herausforderung bewältigen, an drei aufeinanderfolgenden Abenden ihre Megapartien zu singen - vier Mal über den Dezember verteilt.
Auch wenn der russische Komponist Anton Safronow für die wenigen notwendigen Übergänge engagiert wurde, gebe es praktisch keine Wagner-fremde Musik. „Man wird keinen Takt hören, der nicht nach Wagner klingt und kaum einen Takt hören, der nicht von Wagner ist“, unterstrich Trinks. Auch wenn sich das Ganze für den Nicht-Kenner des „Rings“ als Amalgam darstelle, gelte: „An manchen Stellen wird es den Wagnerianer reißen.“
Dieses „Anpirschen an den großen Giganten Wagner“ sei für das Haus ein enormer logistischer Aufwand, unterstrich Geyer. Dennoch lohne sich dieser für das TAW, wo Wagner 1863 in Konzerten selbst Ausschnitte aus dem „Ring“ dirigiert hatte. Für ihn besäßen die drei Teile nun innere Zusammenhänge und dennoch eine Eigenständigkeit, die mit Stieg Larssons „Millennium“-Trilogie vergleichbar sei.
(S E R V I C E - www.theater-wien.at)