Basketball: Pöltl im Interview: „Da wird dir auch nichts geschenkt“

Toronto (APA) - Jakob Pöltl hat sich zu Beginn seiner zweiten NBA-Saison viel Respekt erarbeitet - auch von den Stars in seiner Mannschaft. ...

Toronto (APA) - Jakob Pöltl hat sich zu Beginn seiner zweiten NBA-Saison viel Respekt erarbeitet - auch von den Stars in seiner Mannschaft. Der 22-jährige Wiener ist zu einem wesentlichen Bestandteil der Toronto Raptors geworden. Im Interview mit der APA - Austria Presse Agentur sprach Pöltl über Lob, Platz vier bei der Wahl zum „Sportler des Jahres“ und seinen Beitrag zur Förderung von Basketball in Österreich.

APA: Kevin Durant hat Sie zuletzt ein „Biest am Brett“ genannt. Welches Gefühl gibt es Ihnen, dass Ihnen mittlerweile auch derartige Stars so großen Respekt entgegenbringen?

Pöltl: „Natürlich ist es nett. Ich hatte in dem Spiel gegen Golden State ein gutes Spiel und einige Offensivrebounds. Es hat schon etwas, wenn sehr gute Spieler einen auch erwähnen und die guten Leistungen anerkennen.“

APA: Können Sie sich vorstellen, ein NBA-Team irgendwann einmal auch in der Offensive zu führen?

Pöltl: „Ja, natürlich. In meinem zweiten Jahr am College habe ich auch eine Rolle übernommen, in der ich die Hauptanspielstation war. Das ist nicht wirklich mein Spielstil. Ich bin und bleibe tendenziell eher ein Defensivspieler. Das heißt aber nicht, dass ich nicht offensiv auch einiges machen kann. Es wird sicher noch dauern, weil es im Moment bei den Raptors viele andere talentierte Offensivspieler gibt.“

APA: Sie stehen hier noch zwei Jahre - mit Option auch ein drittes - unter Vertrag. Wie glücklich sind Sie vor dem Hintergrund, dass Sie bei einem anderen Team womöglich mehr Minuten und Aufmerksamkeit bekommen könnten?

Pöltl: „Es hat seine Vor- und Nachteile, bei einem guten Team zu sein. Ja, wenn ich bei einem anderen Team wäre, würde ich ziemlich sicher mehr Minuten bekommen und es würden mir mehr Fehler erlaubt sein. Dafür mache ich hier Erfahrungen, die ich bei einem anderen Team nicht machen könnte - zum Beispiel, dass wir in den Play-offs waren. Ich habe Teamkollegen, von denen ich sehr viel lernen kann. Deswegen bin ich mit meiner Situation sehr glücklich.“

APA: Es sind drei Center im Team. Einige Kommentatoren fordern bereits, dass Sie mehr Minuten bekommen sollten, weil Sie dem Team viel gebracht hätten. Was bedeutet Ihnen das?

Pöltl: „Ich bekomme es auch mit, dass ein bisschen ein Hype entstanden ist, weil ich zu Beginn der Saison ganz gut gespielt habe. Wir spielen Basketball für die Fans. Im Endeffekt ist es aber mein Job, meinen Coach davon zu überzeugen, dass er mich spielen lässt, weil er die Entscheidung trifft. Es freut mich, dass Fans und Sportkommentatoren meine Leistung anerkennen. Es hilft mir in meiner Situation aber nicht weiter.“

APA: Wie hat sich Ihr Standing im Team verändert im Vergleich zur vergangenen Saison?

Pöltl: „Es hat sich ziemlich weiterentwickelt - alleine dadurch, dass meine Teamkollegen gesehen haben, dass ich auf einem hohen Niveau spielen und dem Team wirklich weiterhelfen kann. Man muss sich von den Teamkollegen genauso wie von den Coaches den Respekt erarbeiten. Da wird dir auch nichts geschenkt, nur weil du an einer bestimmten Position gedraftet wurdest. Ich habe mir auch von unseren All-Star-Teamkollegen einen gewissen Respekt erkämpft.“

APA: Ihr Aufstieg wird auch in Österreich immer mehr wahrgenommen. Bei der Wahl zum „Sportler des Jahres“ sind sie Vierter geworden - hinter drei Leuten, die sehr viel gewonnen haben. Ihre Gedanken?

Pöltl: „Es ist eigentlich eine Wahnsinnssache. Es hört sich für mich noch ein bisschen komisch an, dass ich da in Betracht gezogen werde. Viele von denen habe ich schon verfolgt, als ich noch in Österreich war. Dominic Thiem ist auch noch nicht so lange dort, aber die anderen sind schon länger ganz oben in der österreichischen Sportwelt. Es ist schon eine sehr coole Sache. Es zeigt auch, dass Basketball hoffentlich vielleicht doch etwas an Aufsehen erregt in Österreich. Ich war nie ein Typ, der sich groß um individuelle Auszeichnungen geschert hat, aber in dieser Hinsicht freut es mich.“

APA: Was bedeutet Ihnen der Beitrag, den Sie zu dieser Akzeptanz geleistet haben?

Pöltl: „Sehr viel. Ich habe auch vor, weiter mehr zu machen, um Basketball in Österreich zu fördern - so gut das geht aus meiner Position hier in Toronto. Ich hoffe, dass es einen positiven Einfluss hat und vielleicht mehr Jugendliche versuchen, einmal aufs College zu kommen. Es muss ja nicht genau der gleiche Weg sein, den ich gegangen bin. Man kann auch in Europa ausschwärmen und eine andere Basketball-Kultur erleben. Das ist wichtig, weil wir in Österreich auf einem guten Weg sind, aber noch nicht dort. Gute Talente, die wir in Österreich durchaus haben, müssen schauen, dass sie woanders weiterkommen.“

APA: Was meinen Sie mit fördern?

Pöltl: „Mit einem Trainingscamp im Sommer zum Beispiel. Ich kann mir vorstellen, dass ich das anfange - ob das jetzt für die ganz Kleinen ist, um Kinder dazu zu bringen, sich für Basketball zu interessieren, oder für die, bei denen man schon ein gewisses Talent erkennen kann. Das ist auf jeden Fall im Gespräch. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das in naher Zukunft passiert.“

APA: Es sind grundsätzlich so viele internationale Spieler in der NBA wie nie. Worauf ist das zurückzuführen?

Pöltl: „Weil sich Basketball in Europa immer weiter entwickelt. Es ist und bleibt ein sehr US-dominierter Sport, weil es hier mit American Football die Topsportart ist und jedes Kind irgendwo auf der Straße Basketball spielt. Dadurch, dass die USA auch nicht gerade wenige Einwohner haben, gibt es auch einen entsprechenden Pool an Talenten. Es hat sich in den letzten Jahren aber in Europa auch eine Basketball-Kultur entwickelt - in manchen Ländern schneller, in manchen weniger schnell.“

APA: Wie beurteilen Sie die Situation in Österreich?

Pöltl: „Wir sind auf einem guten Weg. Wir sind noch etwas weiter unten. Man hat aber schon in den letzten EM- und WM-Qualifikationen gemerkt, dass wir dabei sind. Es fehlt vielleicht ein Spiel, dass wir dann auch einmal dabei sind bei einer Europameisterschaft.“

APA: Sie haben gesagt, dass Sie es sich vorstellen könnten, sehr lange hier in Toronto zu bleiben. Können Sie das konkretisieren?

Pöltl: „Ich bin grundsätzlich kein Mensch, der, wenn ich mich irgendwo wohlfühle, das gern aufgibt. Mir ist es damals schon schwergefallen, aus Österreich wegzuziehen in die USA. Ich war dann aber einfach an einem Punkt, an dem es sein musste, wenn ich meine Basketball-Karriere ernsthaft verfolgen will. Vom College wegzugehen ist mir auch schwergefallen. Wenn es nicht absolut sein muss, aus welchem Grund auch immer, dann würde ich auch zehn, zwölf oder 15 Jahre hier in Toronto bleiben.“

(Das Gespräch führte Florian Haselmayer/APA in Toronto)

(B I L D A V I S O - Aktuelle Bilder von Jakob Pöltl in Toronto sind im APA-Bilderdienst vom 7. November abrufbar.)