An die Quelle und zurück: Blasse „Johanna. Eine Passion“ im TAG

Wien (APA) - Paranoide Schizophrenie, Androgenresistenz oder doch ein Gehirn-Abszess? Vielleicht aber auch Transvestitismus, Drogeneinfluss ...

Wien (APA) - Paranoide Schizophrenie, Androgenresistenz oder doch ein Gehirn-Abszess? Vielleicht aber auch Transvestitismus, Drogeneinfluss oder religiöser Wahn? Was genau Jeanne d‘Arc zu ihrem Wirken im Hundertjährigen Krieg getrieben hat, wollen drei Richter herausfinden, die die junge Frau auf der Bühne des Theaters an der Gumpendorfer Straße im Rahmen der Premiere von „Johanna. Eine Passion“ befragen.

„Zurück zur Quelle“ wollte Autor und Regisseur Christian Himmelbauer laut Programmheft des am Mittwoch zur Uraufführung gebrachten Texts, um den literarischen Spekulationen (von Friedrich Schiller bis Mark Twain) entgegenzutreten. Und so stützt sich der im Umfang recht schmale Abend vor allem auf Johannas Aussagen in den Prozessprotokollen, die im Jahr 30. Mai 1431 in Rouen zu ihrer Verbrennung auf dem Scheiterhaufen führten. Damit ist auch der szenische Rahmen gegeben: Langsam öffnen die drei Männer eine zweiflügelige Schiebetür, hinter der Lisa Schrammel als Johanna in Unterwäsche auf dem Boden kauert (Bühne: Alexandra Burgstaller). Die Richter positionieren sich hinter ihren zu drei Seiten aufgebauten weißen Pulten, die im Laufe des 80-minütigen Abends immer näher an Johanna heranrücken werden. Die Befragung kann beginnen.

Doch zuvor wird Johanna aufgefordert, sich anzukleiden. Die drei Männer - im Programmheft als Ole, Sören und Lars ausgewiesen - werfen der Angeklagten Frauenkleidung zu, die sie jedoch ignoriert. Erst, als sie Anzughose und Hemd bekommt, ist sie zur Aussage bereit. Nach der üblichen Feststellung von Name, Geburtsort und Alter geht es an die Glaubensfragen. Jens Claßen, Raphael Nicholas und Georg Schubert - alle in Hemd und Strickpulli - rücken Johanna abwechselnd auf die Pelle. Die knappen Dialoge klingen dann so: „Ich ermahne dich nochmals, Johanna, auf unsere Fragen nichts als die Wahrheit zu sagen“, poltert einer der Richter. Johanna selbstbewusst: „Fragen könnt ihr mich, was ihr wollt. Antworten werde ich, was ich will. Wenn ihr mich erst richtig kennen tätet, würdet ihr aufatmen, wenn ich recht weit weg wäre.“

Dann plätschert die Befragung aber dahin, man erfährt etwas über Zeitpunkt und Gestalt der Stimmen, die Johanna hört, die Art und Weise, wie sie ihre Familie verlassen hat, um nach Frankreich zu ziehen, um das Land von den Engländern zu befreien, König Karl zu krönen und die Entscheidung, Männerkleidung zu tragen. Auf einer Leinwand im Bühnenhintergrund erscheinen die Gesichter aller vier Schauspieler, die die Engelsstimmen wiedergeben, die Johanna die Aufträge erteilten. Unterbrochen wird die Vernehmung immer wieder von Persiflagen, in denen die Männer mit Requisiten wie einem Heiligenschein, einer Krone oder einem Riesenpenis Szenen aus Johannas Geschichte nachspielen. Diese Augenblicke, die meist in Klamauk abdriften, tragen jedoch wenig zum Fortgang der Handlung bei, auch sind sie zu bruchstückhaft, um tatsächlich einzelne Geschichten zu erzählen.

Alternativ dazu treten die Drei als Ärzte auf, die den Versuch unternehmen, Johannas Handlungen auf diverse Krankheiten zurückzuführen. Ist sie vielleicht doch genetisch ein Mann? Ist sie homosexuell? Oder doch irgendwie krank? Auch Verschwörungstheorien über einen möglichen Scheintod Johannas und ihr Weiterleben in bürgerlichen Verhältnissen in Paris werden in rasendem Tempo vorgetragen, während Johanna nur hilflos zuschauen kann. Schließlich versuchen es die Herren mit Folter, indem sie Johannas Kopf in einen Wasserkübel drücken. Am Ende stehen Geständnis, Frauenkleider, Tod und Peter Gabriels „My body is a cage“.

Nach der fantastischen Kleist-Überschreibung „(Ein) Käthchen.Traum“ von Gernot Plass im vergangenen Februar oder dessen spritziger „Faust“-Neubearbeitung 2015 bleibt Himmelbauers „Johanna“ hinter den Erwartungen zurück. Lisa Schrammel als Johanna verkörpert zwar eine emanzipierte Frau, die Gottesfurcht nimmt man ihr jedoch nicht wirklich ab. Die drei Herren switchen zwar artig zwischen ihren unterschiedlichen Rollen hin- und her, können aber gerade deshalb wenig Profil in den einzelnen Charakteren entwickeln. Viel Neues bringt die Quelle, an die man hier zurückgekehrt ist, nicht zutage. Auch aus ihr entspringt nur ein Fluss, der sich bald weit verzweigt.

(S E R V I C E - „Johanna. Eine Passion“ von Christian Himmelbauer (auch Regie) im Theater an der Gumpendorfer Straße. Mit Lisa Schrammel, Jens Claßen, Raphael Nicholas und Georg Schubert. Ausstattung: Alexandra Burgstaller. Weitere Termine: 10., 14. - 16. November sowie am 12., 13., 18. und 19. Dezember, jeweils um 20 Uhr. Karten unter Tel. 01/586 52 22 oder www.dastag.at)