Weiterhin schwere Defizite in der Kinderpsychiatrie in Österreich

Wien (APA) - Rund 100.000 Kinder und Jugendliche in Österreich benötigen eine spezialisierte psychiatrische Behandlung. Doch weiterhin exist...

Wien (APA) - Rund 100.000 Kinder und Jugendliche in Österreich benötigen eine spezialisierte psychiatrische Behandlung. Doch weiterhin existieren mit einem Versorgungsgrad von bloß einem Viertel bei den Kassenstellen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und der Hälfte der notwendigen stationären Kapazitäten große Defizite, hieß es am Donnerstag bei einer Pressekonferenz der Österreichischen Ärztekammer.

„Wir haben jetzt erste repräsentative Daten. Rund ein Viertel der Zehn- bis 18-Jährigen sind psychiatrisch auffällig. Davon sind etwa 100.000 Kinder und Jugendliche behandlungsbedürftig“, sagte Charlotte Hartl, Obfrau der Bundesfachgruppe des Sonderfachs Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Österreichischen Ärztekammer. Dieses Spezialfach wurde in Österreich erst vor zehn Jahren etabliert.

Zwar sei man im vergangenen Jahrzehnt ein Stück vorangekommen, doch es existierten anhaltend erhebliche Defizite, stellte Rainer Fliedl, Präsident der Österreichischen Fachgesellschaft für Kinder und Jugendpsychiatrie, dar: „Es sind derzeit etwa die Hälfte der Spitalsbetten und Tagesklinik-Kapazitäten vorhanden, die im Österreichischen Strukturplan Gesundheit vorgesehen sind. Bei den Kassenstellen (für niedergelassene Kinder- und Jugendpsychiater; Anm.) haben wir ein Viertel der Vollversorgung.“

Laut den offiziellen Daten gibt es in Österreich derzeit 204 Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Das „Soll“ liege bei 300 bis 350, hieß es bei der Pressekonferenz in Wien. Festgeschrieben in der Gesundheitsplanung wäre ein Spitalsbett bzw. entsprechende Tagesklinik-Kapazität im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie pro 100.000 Einwohner. Für ganz Österreich sollten das 860 Betten in stationären Einrichtungen sein. Aktuell sind es aber nur 359. Man benötige einen Ausbau der stationären Einrichtungen auch, um genügend Jugend- und Kinderpsychiater ausbilden zu können, betonte Fliedl.

Zum Teil krasse Defizite existieren aber bei den mit Gebietskrankenkassenvertrag (GKK) niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiatern in mehreren Bundesländern. „Vor fünf Jahren gab es noch keinen Kassenarzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Jetzt sind 27 ‚festgeschrieben‘, 26 Stellen davon besetzt. Wir würden aber etwa 106 Kinder- und Jugendpsychiater mit Kassenvertrag brauchen, sind also etwa bei einem Viertel“, sagte Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer.

Das Burgenland und die Steiermark haben keinen einzigen Kinder- und Jugendpsychiater mit GKK-Vertrag. Das liefe dort unter dem Titel „Brauchen wir nicht, wollen wir nicht“, sagte Charlotte Hartl. Dabei gebe es ausgebildete Kinder- und Jugendpsychiater, die sich in der Praxis niederlassen wollten. Die mangelhafte kassenärztliche Versorgung in diesem Bereich benachteilige gerade sozial schwächere Familien, deren Kinder an sich schon ein höheres Risiko für psychische Erkrankungen hätten. „Eltern, die mehr Finanzmittel haben, können sich für ihre Kinder eine bessere Behandlung leisten“, sagte die Expertin.