UNO: Im Jemen droht weltweit größte Hungersnot seit langem
Sanaa/New York (APA/Reuters/dpa) - Im Jemen droht nach Einschätzung der Vereinten Nationen die weltweit größte Hungersnot seit Jahrzehnten. ...
Sanaa/New York (APA/Reuters/dpa) - Im Jemen droht nach Einschätzung der Vereinten Nationen die weltweit größte Hungersnot seit Jahrzehnten. Dabei könnten Millionen Menschen ums Leben kommen, sagte der UNO-Nothilfekoordinator Mark Lowcock in der Nacht auf Donnerstag. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres habe mit dem saudi-arabischen Außenminister Adel al-Jubeir gesprochen und dabei die unverzügliche Aufhebung der Blockade gefordert.
Die Vorräte der Vereinten Nationen für notleidenden Menschen reichen nach eigenen Angaben nur noch für sechs Wochen. „Im November können wir die Menschen noch versorgen, im Dezember nicht mehr“, sagte der Leiter des UNO-Nothilfebüros OCHA im Jemen, George Khoury, am Donnerstag.
Einem Hafenvertreter zufolge hat die von Saudi-Arabien angeführte Militärallianz inzwischen den wichtigen Seehafen in der jemenitischen Stadt Aden wieder geöffnet. Die Sperre sei aufgehoben, so dass wieder normal gearbeitet werden könne, sagte ein Hafenvertreter. Dies habe das Bündnis offiziell mitgeteilt. Warum die Blockade aufgehoben wurde, war zunächst unklar. Aden ist weitgehend in den Händen der Kräfte, die gegen die Houthi-Rebellen kämpfen und die auch Saudi-Arabien unterstützt.
Lowcock hatte in New York gewarnt, Millionen Menschen könnten sterben, wenn die von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition die See- und Flughäfen weiter blockiere. „Es wird nicht wie die Hungersnot im Südsudan in diesem Jahr sein, wo Zehntausende Menschen betroffen waren“, sagt er. „Es wird nicht wie die Hungersnot 2011 in Somalia sein, wo 250.000 Menschen ums Leben gekommen sind. Es wird die größte Hungersnot sein, die die Welt seit vielen Jahrzehnten gesehen hat - mit Millionen von Opfern.“
In dem Land im Süden der Arabischen Halbinsel tobt seit rund drei Jahren ein Bürgerkrieg. Schiitische Houthi-Rebellen und ihre Verbündeten haben mehr als die Hälfte des Jemen überrannt und die Regierung aus der Hauptstadt Sanaa vertrieben. Saudi-Arabien und andere arabische Staaten bombardieren seit 2015 Houthi-Stellungen. Große Teile der Infrastruktur sind völlig zerstört.
Die humanitäre Lage im Jemen ist katastrophal. Laut UNO sind mehr als 20 Millionen Menschen auf Unterstützung angewiesen. Sieben Millionen könnten nur mit Lebensmittelhilfe von außen überleben. Fast 900.000 Menschen sind den UNO zufolge an Cholera erkrankt. Mehr als zwei Millionen Kinder seien unterernährt, fast 400.000 Kinder so stark, dass sie zum Überleben medizinische Hilfe bräuchten, heißt es in einer Erklärung mehrerer Hilfsorganisationen. Wegen Unterfinanzierung könnten diese nur ein Drittel der Bevölkerung erreichen.
Durch die Schließung wichtiger Häfen sei die Versorgungskette bereits jetzt unterbrochen, so dass es zu Engpässen kommen werde, sagte der UNO-Jemen-Koordinator Khoury. Auch die medizinischen Vorräte neigen sich dem Ende zu. 50 Prozent aller medizinischen Einrichtungen seien geschlossen oder zerstört, sagte Florian Seriex von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF). Die Menschen hätten nicht genug Geld, um die langen Wege zum nächsten Arzt bezahlen zu können: „Tausende können keine medizinische Einrichtung erreichen.“
In der Hauptstadt Sanaa und in anderen Provinzen leiden die Menschen unter massiv gestiegenen Preisen für Grundnahrungsmittel, weshalb sie täglich ums Überleben kämpfen müssen. „Viele von uns leben wegen der Lage in großer Angst“, sagte eine Bewohnerin aus Sanaa der Deutschen Presse-Agentur. Wegen Treibstoffmangels ist der Verkehr in der Hauptstadt teilweise zum Erliegen gekommen. Zudem fliegen Jets des von Saudi-Arabien geführten Bündnisses immer wieder Luftangriffe.
Für das sunnitische Nachbarland geht es in dem Krieg vor allem darum, den Einfluss des schiitischen Erzrivalen Iran zurückzudrängen. Dieser unterstützt im jemenitischen Bürgerkrieg die Houthis. Die beiden Regionalmächte Saudi-Arabien und Iran konkurrieren um die Vorherrschaft im Nahen Osten.
In dem Bürgerkrieg sind mehr als 10.000 Menschen getötet worden. Ein Ende des Bürgerkriegs ist nicht abzusehen. Alle UNO-Bemühungen um einen Frieden scheiterten bisher. Saudi-Arabien und seine Verbündeten sperren seit dieser Woche Jemens See- und Flughäfen, über die Hilfe ins Land kommt, um iranische Waffenlieferungen an die Houthis zu unterbinden. Das sunnitische Königreich reagierte damit auf eine von den Houthis abgeschossene Rakete, die Saudi-Arabien nahe dem internationalen Flughafen der Hauptstadt Riad abgefangen hatte.
Kronprinz Mohammed bin Salman warf dem Iran eine „militärische Aggression“ vor, weil er Waffen an die Houthis liefere. Der Iran wies die Beschuldigungen als „falsch, destruktiv, unverantwortlich und vor allem provokativ“ zurück. Die Houthis kündigten am Donnerstag an, Saudi-Arabien weiter zu beschießen.