Erste Nationalratsdebatte schon halb in den neuen Rollen
In ihren ersten Reden im neu konstituierten Nationalrat ließen die Parteispitzen bereits ihre künftigen Rollen durchschimmern. ÖVP-Chef Kurz gab sich „kanzlerisch“, während der scheidende Amtsinhaber Christian Kern ÖVP und FPÖ riet, sich „a Wohnung“ zu kaufen. Die NEOS wählten geschlossen Kopf statt Köstinger.
Wien – Auch wenn über die Regierung erst verhandelt wird, zeichneten sich die künftigen Rollen schon in der ersten Nationalratsdebatte am Donnerstag ab: Sebastian Kurz (ÖVP) sprach von der „Chance zum Neuanfang“, sein Partner in spe Heinz-Christian Strache (FPÖ) von nötiger „positiver Veränderung“ – und Noch-Kanzler Christian Kern (SPÖ) war „fast versucht“, den beiden zu sagen „Kaufts euch a Wohnung“.
Sebastian Kurz nutze seine Rede vorwiegend für Dank (an verabschiedete langjährige Parlamentarier wie Jakob Auer und Josef Cap), eine Respektsbekundung gegenüber den Grünen für ihre Verdienste für die Republik und die Anpreisung Köstingers, die „jahrelange Erfahrung im Europaparlament“ gesammelt habe. Dem von der ÖVP nicht mehr nominierten Kopf dankte der geschäftsführende Klubobmann August Wöginger, aber auch Kern namens der SPÖ und Strache für die FPÖ.
Schon ein wenig den Kanzler zeigte Kurz mit der Ansage, dass er sich „auf die Zusammenarbeit mit Ihnen in den nächsten fünf Jahren“ freue, samt Hinweis darauf, dass es für die neue Regierung nötig sein wird, im Parlament Zweidrittelmehrheiten für große Veränderungen zu finden.
Noch-Kanzler Christian Kern erinnerte an die Novemberpogrome vor 79 Jahren – und mahnte als „Konsens, den alle vertreten sollten“ ein, dass „Ausgrenzung, die Suche von Sündenböcken, Rassismus und die Mobilisierung niedriger Instinkte in der Politik keinen Platz haben“. Mit einem Schlenker gegen die demonstrierte „Innigkeit und Intimität“ in den türkis-schwarz-blauen Verhandlungen ließ er wissen, wie die SPÖ die Opposition anlegen wird: Vorschläge hinterfragen, bessere Alternativen vorlegen – und „bewusst einen Gegenpol zur oberflächlichen Inszenierung“ setzen, die man schon in den Koalitionsgesprächen sehe.
Zwischen Regierung und Opposition schwankte Heinz-Christian Strache: Er zitierte Bundespräsident Alexander Van der Bellen, dass man jetzt „Gräben zuschütten und Brücken bauen“ müsse - und appellierte, dass man auch „harte Diskussionen gesittet“ führt und dabei „natürlich auch das Niveau gewahrt bleibt“. Dann kritisierte er noch einmal die „immensen Belastungen“, die Rot-Schwarz hinterlasse, und deren „massiven Zwist und Hader“. Das alles habe bei der Wahl eine Absage erhalten, jetzt müsse „wirklich positive Veränderung und Erneuerung stattfinden“ - wandte er sich den Themen - Steuern, direkte Demokratie, Zuwanderung - zu, die die FPÖ in der Regierung anpacken will. Der FPÖ-Chef dankte nicht nur dem bisherigen Zweiten Präsidenten Kopf, sondern auch Bures für den „parteipolitisch unabhängigen und fachlich exzellenten“ Vorsitz im Präsidium.
Die NEOS lebten die Opposition gleich: Sie wollten nicht die von der ÖVP vorgeschlagene Elisabeth Köstinger zur Nationalratspräsidentin wählen, sondern den bisherigen Zweiten Präsidenten Karlheinz Kopf (ÖVP). Parteichef Matthias Strolz begründete dies folgendermaßen: Die NEOS wollten ein – von dieser nicht gewährtes – Gespräch, um sich zu versichern, „dass das Amt mit großer Ernsthaftigkeit“ und „voller Leidenschaft“ angegangen wird. Denn es gehe um das „Hohe Haus“, die erste Staatsgewalt – und dieses sei „kein Durchhaus und kein Rangierbahnhof“, beschrieb Strolz die Vermutung, dass Köstinger sich in Kürze wieder Richtung Regierung verabschiedet. Die NEOS wollen in ihrer zweiten Periode „die Kontrollpartei gegen Korruption, Steuergeldverschwendung und Parteibuchwirtschaft“ sowie „Hüterin der Verfassung“ und „Reformturbo“ sein.
Mit den Worten „Sie sehen, ich bin nicht Peter Pilz“ trat Peter Kolba ans Rednerpult – und prangerte auch gleich die „beispiellose Medienjustiz“ an, die dazu geführt habe, dass jetzt er und nicht der Parteigründer der Liste Pilz als Klubobmann hier stehe. Auch ohne Pilz werde man aber „kantige, wahrnehmbare Opposition“ sein und „abwehren, was Schwarz-Blau für die Bevölkerung vorgesehen hat“. Vorerst aber bat er Kolba einmal um 100 Tage Einarbeitungszeit für die neue Fraktion, „wir müssen uns konsolidieren“.
Damit war die erste Debatte allerdings noch nicht zu Ende. Die Causa Pilz – der Listengründer nahm das Mandat wegen des Vorwurfs sexueller Belästigung nicht an – griff etwa Ex-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) auf. Sie trat der Kritik an der Kritik an Pilz entgegen und stellte ergriffene und noch nötige Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung dar. (APA)