Erste Reibereien bei Wahl des Nationalratspräsidiums
Wien (APA) - Die parlamentarische Luft dürfte in den kommenden fünf Jahren rau sein. Schon bei der Wahl des Nationalratspräsidiums kamen die...
Wien (APA) - Die parlamentarische Luft dürfte in den kommenden fünf Jahren rau sein. Schon bei der Wahl des Nationalratspräsidiums kamen die unversöhnlichen Positionen zwischen ÖVP und SPÖ zum Ausdruck. Elisabeth Köstinger erhielt bei der Wahl zur Parlamentschefin ein ebenso enttäuschendes Ergebnis wie im Anschluss Doris Bures bei der Kür zur Zweiten Präsidentin.
182 der 183 Mandatare hatten sich Donnerstagvormittag im Großen Redoutensaal der Hofburg eingefunden, um die Angelobungsformel zu sprechen. Einzig der freiheitliche Abgeordnete Harald Stefan war entschuldigt. Seine Angelobung wird wohl in der nächsten Sitzung nachgeholt. Unerwartet kam nur, dass Finanzminister Hans-Jörg Schelling (ÖVP) zugunsten der bisherigen VP-Justizsprecherin Michaela Steinacker auf sein Mandat verzichtete, was wiederum die Frauenquote zum historischen Höchstwert von 34,4 Prozent führte.
Schelling nahm daraufhin wie Familienministerin Sophie Karmasin, Justizminister Wolfgang Brandstetter und Wirtschaftsminister Harald Mahrer (alle ÖVP) auf der großteils verwaisten Regierungsbank Platz und verfolgte das Geschehen in den Abgeordnetenbänken ebenso von außen wie Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der frühere Nationalratspräsident Andreas Khol (ÖVP) und Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker, die auf der Galerie saßen.
Ein Comeback feierte die rote Nelke als Blumenschmuck auf der Kleidung der sozialdemokratischen Mandatare. Vor vier Jahren hatte sich der Klub unter dem damaligen Obmann Werner Faymann noch mit roter Rose geschmückt. Noch überraschender war der Abschied der FPÖ von der Kornblume, die jahrelang für Kritik gesorgt hatte, war sie doch Erkennungssymbol der illegalen Nationalsozialisten in der Zwischenkriegszeit.
Nunmehr zierten sich die Freiheitlichen mit Edelweiß. Die ÖVP versuchte dagegen ihre neue Parteifarbe Türkis in den Vordergrund zu rücken und stattete ihre Abgeordneten mit Buttons in dieser Farbe aus, auf denen oevpklub zu lesen war. Die NEOS placierte in ihre Reihen Kakteen mit pinken Kunstblüten auf, um darzustellen, dass man weiter der Stachel im Fleisch der Regierenden sein will. Gar nichts mitgebracht hatten die acht Mandatare der Liste Pilz.
Wiewohl drei aus der einzig neuen Fraktion über parlamentarische Erfahrung verfügen, bat Klubchef Peter Kolba um 100 Tage Einarbeitungszeit. Ärgerlich ist er noch immer, dass die Frontfigur der Bewegung Peter Pilz nicht dem Nationalrat angehören wird angesichts seines Verzichts nach diversen Vorwürfen sexueller Belästigung. Kolba prangerte in diesem Zusammenhang eine „beispiellose Medienjustiz“ an. Pilz selbst überlegt, ein Comeback als parlamentarischer Mitarbeiter zu feiern, erklärte er im „Kurier“.
Die Hauptrollen am heutigen Tag spielten freilich andere, nämlich die Kandidaten für das Nationalratspräsidium. Dass die ÖVP ihren bisherigen Zweiten NR-Präsidenten Karlheinz Kopf überging und Generalsekretärin Elisabeth Köstinger nominierte, hatte schon im Vorfeld für Unverständnis bei anderen Parteien gesorgt. Argumentiert wurde, dass Köstinger dem Nationalrat bisher nicht angehört hatte und sie noch dazu eine Übergangslösung sein könnte, gilt sie vielen doch als Fixstarterin in der neuen Regierung. Dass sich an dieser Skepsis nichts geändert hat, zeigte sich bei der Wahl.
Köstinger musste sich mit 67 Prozent der gültigen Stimmen begnügen und damit mit deutlich weniger Zustimmung als ihre Vorgänger. Die NEOS hatten bereits in der Debatte davor angekündigt, für Kopf zu stimmen. Allerdings taten es ihnen dann noch 46 andere Mandatare in der geheimen Abstimmung gleich. Anzunehmen ist, dass der größte Teil davon von der SPÖ kam, deutete doch der geschäftsführende Klubchef Andreas Schieder an, dass nicht alle in seiner Fraktion den üblichen Usancen folgen würden. Vermutet wurde, dass sich auch das ein oder andere ÖVP-Klubmitglied für Kopf ausgesprochen haben könnte, hatte dieser doch bei der Abstimmung im Klub am Tag davor vier Stimmen erhalten.
Die neue Präsidentin sprach nach der Sitzung gegenüber Journalisten dennoch von einem „sehr guten Ergebnis“ für sich. Dass sie das Parlament bald für einen Ministerposten verlassen könnte, bestätigte sie nicht, im Gegenteil: „Diese Frage stellt sich nicht.“ Köstinger will nun mit den anderen Fraktionen Gespräche aufnehmen und ihr „Bestes dafür tun, Präsidentin für alle zu sein“.
Die Retourkutsche der „neuen Volkspartei“ für das vergleichsweise schwache Abschneiden Köstingers ließ freilich nicht lange auf sich warten. Bures, die quasi ins zweite Glied zurück muss, erhielt mit 66 Prozent noch etwas weniger. Etliche Stimmen gingen an SPÖ-Chef Christian Kern, wiewohl dieser im Gegensatz zu Kopf nie Interesse an einem Amt im Präsidium geäußert hatte. Quasi lachender Dritter (Präsident) war Norbert Hofer, der mit 83,5 Prozent das klar beste Ergebnis erzielte. Freilich ist auch bei ihm nicht klar, ob er fünf Jahre durchdient. Im Fall einer freiheitlichen Regierungsbeteiligung dürfte der knapp gescheiterte Hofburg-Kandidat zu Ministerehren kommen.
Schon ein wenig im Kanzlermodus war der frisch gebackene ÖVP-Klubobmann Sebastian Kurz - etwa mit der Ansage in Richtung der Abgeordneten, dass er sich „auf die Zusammenarbeit mit Ihnen in den nächsten fünf Jahren“ freue, samt Hinweis darauf, dass es für die neue Regierung nötig sein wird, im Parlament Zweidrittelmehrheiten für große Veränderungen zu finden. Am Absprung von der Opposition in die Regierung ist FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Einerseits beklagte er die „immensen Belastungen“, die Rot-Schwarz hinterlasse, und deren „massiven Zwist und Hader“, andererseits kündigte er an, dass nun „wirklich positive Veränderung und Erneuerung stattfinden“ müsse.
Mit einem Schlenker gegen die demonstrierte „Innigkeit und Intimität“ in den schwarz-blauen Verhandlungen meldete sich Noch-Kanzler und neuerdings SPÖ-Klubobmann Christian Kern zu Wort. Er sei „fast versucht“, Kurz und Strache zu sagen „Kaufts Euch a Wohnung“.