Deutschland: Warmer Regen für Jamaika-Sondierer aus Sozialkassen

Berlin (APA/Reuters) - Bei den Sondierungen zur Bildung einer neuen deutschen Bundesregierung erhalten Union, FDP und Grüne in einem wichtig...

Berlin (APA/Reuters) - Bei den Sondierungen zur Bildung einer neuen deutschen Bundesregierung erhalten Union, FDP und Grüne in einem wichtigen Streitpunkt Rückenwind aus der Arbeitslosen- und Pensionsversicherung. Bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) zeichnet sich spätestens für 2019 Spielraum für eine Beitragssenkung um 0,2 Prozentpunkte ab.

Dies ergibt sich aus den Eckwerten für den BA-Haushalt für 2018, wie Reuters am Donnerstag aus dem Verwaltungsrat der Behörde erfuhr. Im Kanzleramt liegt unterdessen bereits eine Verordnung zur Senkung des Rentenbeitragssatzes 2018 um 0,1 Prozentpunkte vor. Demnach könnten alle Sozialbeiträge zusammen 2019 unter die von der Wirtschaft geforderte 40-Prozent-Grenze fallen.

Die Senkung der Beiträge für Arbeitslosenversicherung und Pensionen würde Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammen um deutlich über drei Milliarden Euro entlasten. Das 40-Prozent-Ziel ist einer der Streitpunkte bei den Jamaika-Sondierungen, da auf längere Sicht vor allem höhere Beiträge zur Renten- und zur Pflegeversicherung drohen. Auf mittlere Sicht hilft der Beschäftigungsboom den möglichen Koalitionspartnern aber, die Beiträge zur Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung im Griff zu behalten. Derzeit zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammen 40,20 Prozent eines Bruttolohns. Für Beitragszahler mit Kindern ist es wegen eines Pflegerabatts mit 39,95 Prozent etwas weniger.

In der Arbeitslosenversicherung könnte der Spielraum 2019 für eine Beitragssenkung womöglich noch höher ausfallen als für 0,2 Prozentpunkte. Das allein würde Arbeitnehmer und Arbeitgeber bereits um mehr als zwei Milliarden Euro entlasten. Der Vizevorsitzende des Verwaltungsrates der BA, Peter Clever, sagte Reuters, die BA stehe finanziell besser da, als es der für 2018 erwartete Überschuss erwarten lasse. Dabei sei eine Sonderzahlung von zwei Milliarden Euro für Rückstellungen für Beamtenpensionen schon abgezogen, sagte der Arbeitgebervertreter.

Clever zufolge geht die BA in ihrer Haushaltsplanung für 2018 von einem Überschuss von 2,5 Milliarden Euro aus. Daher sei so gut wie sicher, dass die BA Anfang 2019 die im Verwaltungsrat vereinbarte Reserve von 20 Milliarden Euro erreicht habe. „Deshalb wollen wir auch ab dann sofort den Beitrag senken, worüber der Bundestag rechtzeitig in 2018 entscheiden muss“, sagte der Arbeitgeber-Funktionär.

Die Gewerkschaften im BA-Verwaltungsrat sehen dies teils jedoch kritisch. Sie pochen auch auf Leistungsverbesserungen für Arbeitslose. Der BA-Verwaltungsrat will den Haushalt für 2018 am Freitag feststellen und dann der Bundesregierung zur Genehmigung vorlegen. Für das laufende Jahr erwartet die BA einen Überschuss von rund fünf Milliarden Euro. Die Rücklage für Krisenzeiten würde demnach Ende 2017 auf etwa 16,5 Milliarden Euro steigen. In der Rentenversicherung könnte der Beitragssatz bereits Anfang 2018 um 0,1 Prozentpunkte auf 18,6 Prozent sinken, wie Reuters bereits im Oktober berichtet hatte. Dem Kanzleramt liegt den Entwurf einer entsprechenden Verordnung des Arbeitsministeriums vor, die für die Kabinettssitzung am 22. November geplant ist. Bis Donnerstagmittag hatte das Kanzleramt für die Beitragssenkung aber noch kein grünes Licht gegeben: Die Beitragssenkung würde den finanziellen Spielraum der Jamaika-Unterhändler für Mehrausgaben bei der Rente einschränken.