Gerhard Haderer - „Wir wollen den Ungehorsam kultivieren“

Linz (APA) - Gerhard Haderer eröffnet am 18. November in der Linzer Tabakfabrik seine „Schule des Ungehorsams“. Wie er den Ungehorsam kultiv...

Linz (APA) - Gerhard Haderer eröffnet am 18. November in der Linzer Tabakfabrik seine „Schule des Ungehorsams“. Wie er den Ungehorsam kultivieren will, warum er bei der Eröffnung die Macher des Satiremagazins Titanic „ordentlich herbeute

ln“ wird und welche Pläne er für die Zukunft hat, darüber sprach der Linzer Karikaturist mit der APA.

APA: Sie haben sich lange dafür eingesetzt, dass die Tabakfabrik Linz ein Kreativquartier wird. Wie zufrieden sind sie mit der bisherigen Entwicklung?

Gerhard Haderer: Meine Idee war, einen Platz für die Menschen zu schaffen und das hat für mich immer mit Kultur, mit Event und - wenn man so will - auch mit Innovation in der Wirtschaft zu tun. Noch spürt man nicht so viel von dieser kreativen Aufladung und es geht darum, die pragmatischen Notwendigkeiten zu befriedigen. Ich gratuliere jedem, der das wirtschaftlich einigermaßen hinbekommt. Ich wünsche mir sehr viele Synergien, durch die sich Kultur oder Künstler dort ansiedeln werden, weil diese Facette von Linz hat es verdient, dass man sie herzeigt und in dieser kleinen Großstadt präsentiert.

APA: Sie eröffnen am 18. November ihre „Schule des Ungehorsams“. Was lernt man dort?

Gerhard Haderer: Die Idee ist schon sechs Jahre alt. Ich habe immer gesagt, das muss weg von meiner Person. Da soll eine Community von jungen Menschen auftreten, die sich mit diesem Gedanken beschäftigen. Wir wollen diese zwei Pole - Gehorsam und Ungehorsam - auf ihre Strahlkraft abklopfen und das alles mit künstlerischen Mitteln transportieren. Wir wissen, was alles in der Vergangenheit mit dem Begriff Gehorsam an Scheußlichkeiten passiert ist, aber wir wissen auch, dass Ungehorsam per se keine Weltformel ist, sondern in der Verblödung endet. Wir wollen nicht Ungehorsam lehren, sondern ihn kultivieren. Ich verstehe sehr gut, dass viele Menschen unzufrieden sind mit dem Zustand unserer Gesellschaft und deswegen auf die Straße laufen und protestieren. Aber das ist mir zu wenig. Ich möchte, dass man eine einfache Sprache findet, um mit den Menschen in Kontakt zu treten. Das mache ich mit meiner Arbeit seit Jahrzehnten. Wir wollen Menschen dazu ermutigen, sich einzumischen und mitzumachen.

APA: Der Zeitpunkt der Eröffnung könnte kaum passender sein.

Gerhard Haderer: Wir haben einen Wahlkampf hinter uns, wo es um keine politische Positionierung ging, sondern um eine reine Medieninszenierung, die vielen bereits unerträglich geworden ist. Es ist gefährlich, wenn man mit Angeboten aus der Werbe- oder Marketingecke Figuren platzieren kann, die jede Art von politischem Zulauf haben können. Ich habe bisher immer diese Phänomene hinterfragt und nur das akzeptiert, was Substanz hat, aber nicht die Oberflächlichkeit. Wenn es eine Gefahr für uns alle gibt, dann, dass sich die Demokratie in ihrer eigenen Oberflächlichkeit irgendwann auflöst.

APA: In Oberösterreich wird gerade über Sparpläne im Kulturbereich diskutiert. Sehen Sie sich selbst betroffen?

Gerhard Haderer: Wir sind natürlich mit unserem Kulturprojekt auch betroffen. Es war klar, dass wenn jetzt dieser neoliberale Geist Einzug hält, es im Sozialen und in der Kultur die ersten Abstriche geben wird. Unsere Absicht ist es, klarzustellen, was es denn eigentlich bedeutet, wenn man Kultur zurückschraubt. Es hat der oberösterreichische Landeshauptmann (Josef Pühringer, Anm.) einmal einen wunderbaren Satz gesagt: Alle, die mir vorrechnen, wie viel Geld man für Kultur ausgibt, die sollten auch mit dem gleichen Rechenstift nachrechnen, wie viel uns Unkultur kosten würde. - Das ist auch mein Ansatz in der Schule des Ungehorsams.

APA: Welches Programm erwartet das Publikum dort?

Gerhard Haderer: Man wird auf die Marke Haderer nicht verzichten, aber wir sind eine Plattform für alle. Es wird Workshops geben - mit mir, mit anderen Künstlern, mit Historikern, die uns erklären können, was mit Gehorsam in der Geschichte bereits in Verbindung gebracht wurde. Und wir werden die Philosophen bitten, uns zu sagen, wie wichtig jede Art von Ungehorsam für fortschrittliche Entwicklung ist. Zu versuchen, das mit künstlerischen Mitteln an die Menschen heranzubringen, ist eine wunderschöne Aufgabe. Wir haben zwar unsere Verortung in der Tabakfabrik, wollen aber auch eine Wanderakademie machen, die ausschwärmt und sich an Plätze begibt, wo etwas passiert.

APA: In der Schule des Ungehorsams wird es auch eine Dauerausstellung von Ihnen geben. Linz hat lange auf eine permanente Haderer-Schau warten müssen.

Gerhard Haderer: Ich habe das nie vorgehabt. Aber es gibt viel Interesse an den großformatigen Ölbildern. Der Platz in der Tabakfabrik ist dafür geeignet und die werden dort dauerhaft hängen. Es werden auch meine aktuellen Cartoons im Original zu sehen sein.

APA: Es werden aber auch Covers des deutschen Satiremagazins „Titanic“ zu sehen sein. Dieses hat zuletzt mit einem Bild von ÖVP-Chef Sebastian Kurz und der Schrift „Endlich möglich: Baby Hitler töten!“ für Aufregung gesorgt. Geht Ihnen das zu weit?

Gerhard Haderer (grinst): Der Chefredakteur von „Titanic“ wird zur Eröffnung kommen und ich werde ihn jedenfalls fragen, warum die Deutschen ausgerechnet zu den Ösis immer so grob sein müssen und warum sie eine türkise Lichtgestalt wie unseren künftigen Bundeskanzler als „Baby-Hitler“ bezeichnen. Ich bin empört. Ich werde die Titanic-Leute fragen, wo die Grenzen der Satire sind. Es ist ja schön, dass man das einmal umkehren kann. Denn sonst werden diese Fragen immer an mich gestellt.

APA: Überspannt der Aufruf zu „töten“ den Bogen?

Gerhard Haderer: Jeder einzelne Satiriker hat die Pflicht, die Grenzen für sich selbst zu definieren. Wir leben in einer Gesellschaft, wo wir in der Lage sind, solche Grenzverletzungen auch veröffentlichen zu können. Wir haben die Freiheit des Wortes, die Freiheit der Kunst, das ist bitte ein Grundrecht. Es geht aber auch darum, für sich persönlich abzuschätzen, was man mit einer Äußerung bewirkt. Provokation ist mir persönlich langweilig, wenn sie Provokation per se ist. Dass es hin und wieder mal notwendig ist, laut aufzutreten, ist absolut zulässig. Aber ich habe meine eigene Sprache und ich glaube, dass sie etwas subtiler ist als die meiner Freunde von „Titanic“. Deswegen, werde ich sie ordentlich herbeuteln, die Herrschaften aus Frankfurt.

APA: Welche weiteren Projekte planen Sie in der nahen Zukunft?

Gerhard Haderer: Im Augenblick hat diese Schule des Ungehorsams absoluten Vorrang. Ich möchte aber auch einige Beispiele österreichischer oder Weltliteratur als graphic novels zeichnen. Das hat mich immer begleitet und nach diesen vielen Jahren von Training glaube ich, dass ich endlich das Handwerk habe, es anzugehen. Das erste Stück ist die „Rozznjogd“ von Peter Turrini. Die wird im nächsten Jahr erscheinen und in dieser Richtung wird noch Einiges mehr kommen.

(Das Gespräch führte Verena Leiss/APA)